Eine Klasse für sich
einem Restaurant am Meer.
Ich erkannte sie sofort, als sie hereinkam; sie blieb kurz am Pult des Oberkellners stehen, der ihr zeigte, wo ich saß. Ich winkte. Sie schlängelte sich auf ihre energische Art durch die Tische. Die meisten Frauen im Showbusiness tragen Jeans mit Kettengürtel, Terry jedoch war wie eine reiche Ostküsten-Amerikanerin gekleidet, elegante beige Hemdbluse, gut geschnittenes Jackett über den Schultern und gediegener, diskreter Schmuck. Mehr Park Avenue als Fußballergattin. Weniger Protz und mehr Geschmack als erwartet, dennoch unverkennbar Terry. Das heißt, ich kannte sie und kannte sie auch wieder nicht, diese Frau mit der steif gesprühten Frisur, die da auf mich zukam. Das vertraute Kinn sprang noch immer zu weit vor, Augen und Zähne waren noch immer zu groß, aber andere Teile des Gesichts hatten sich beunruhigend verändert. Die Lippen schienen, wie heute oft bei Amerikanerinnen, mit Silikon unterspritzt. Ein faszinierendes Phänomen, denn mir ist noch kein Mann begegnet, der einen solchen Mund nicht erklärtermaßen abstoßend findet. Einige
Männer müssen lügen, sonst würden die Chirurgen doch nicht dieses Riesengeschäft machen. Oder Amerikas Männer reagieren da anders als Europäer.
Terrys Wulstlippen mochten irritieren, waren aber nicht das Schlimmste. Denn nicht nur sie verrieten Manipulation: Terrys Stirn war so glatt wie die einer Toten, jede Mimik endete unterhalb der Augenbrauen, und die Augen selbst saßen recht starr in ihren Höhlen – alles Eingriffe, die erst im Laufe meines Lebens in Mode gekommen sind. Dabei steigen in mir schreckliche Bilder von Zusammentackern, Dehnen, Sägen und Vernähen blutiger Haut über abgehobelten Knochen auf. Bin ich der Einzige, der es merkwürdig findet, dass parallel zur angeblichen Befreiung der Frau ein solches Phänomen um sich greifen konnte? Sich im Gesicht herumschnippeln zu lassen, mutmaßlich, um Männern zu gefallen, ist nicht gerade ein Ausdruck von Emanzipation. Im Gegenteil, da drängt sich der unbehagliche Gedanke auf, dies könnte eine westliche Form weiblicher Beschneidung oder Gesichtsverstümmelung sein, eine dubiose, archaische Methode, männliche Dominanz zu sichern.
Die Schönheitschirurgie ist heute erheblich fortgeschrittener als vor vierzig Jahren, als sie größtenteils von Schauspielerinnen in Anspruch genommen wurde – von ausländischen Schauspielerinnen. Sie kann mit aufsehenerregenden Ergebnissen aufwarten, aber der Preis dafür ist hoch und geradezu widersinnig, denn den meisten Männern vergeht dabei alle Lust. Wenn man weiß, dass an einer Frau herumgeschnitten wurde, erstirbt sofort der Wunsch, sie hüllenlos zu sehen.
Terry hatte meinen Tisch erreicht. »Mein Gott! Du siehst…« Sie zögerte. Wahrscheinlich hatte sie sagen wollen, du siehst noch genauso aus wie früher. Aber als sie näher kam, wurde auch ihr klar, dass ich mich gründlich verändert hatte und einen Pass bei mir tragen sollte, um alle früheren Bekannten von meiner Identität zu überzeugen. »… fantastisch aus!«, fuhr sie stattdessen fort, eine ebenso zweckdienliche Floskel. Ich lächelte. Und da ich bereits aufgestanden war, beugte ich mich vor und gab ihr ein Küsschen auf die Wange. »Wer wirklich fantastisch aussieht, bist du«, konterte ich, und wir setzten uns, beide höchst zufrieden mit unserer großzügigen Flunkerei.
Ein diskreter, freundlicher Kellner trat rasch zu uns und stellte sich als »Gary« vor; er hoffte sehr, wir würden einen angenehmen Abend verbringen, eine Hoffnung, die ich mit ihm teilte, auch wenn ich nicht ganz begreife, warum sie den Garys dieser Welt so am Herzen liegen sollte. Er füllte uns zwei Gläser mit Eiswürfeln und goss etwas Wasser darauf, erklärte die Tagesspezialitäten, allesamt angsteinflößende, mir bis dato unbekannte Sorten von Fisch, und nachdem er uns einen Chardonnay in Aussicht gestellt hatte, wurden wir uns selbst überlassen.
»Na, wie ist das Leben in Kalifornien?« Keine sehr originelle Gesprächseröffnung, aber in diesem Stadium meiner Mission hatte ich es mir angewöhnt, behutsam zu beginnen; schließlich wollte ich noch vor Ende des Abends vorfühlen, wie es um die Vaterschaft von Terrys Nachwuchs bestellt war.
Terry setzte ein strahlendes, allumfassendes Lächeln auf. »Super! «, sagte sie, ganz wie erwartet. Das ist bei jedem Gespräch mit einem Kalifornier der obligatorische erste Akt, in dem alle jemals getroffenen Entscheidungen richtig waren. Später
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