Eine Klasse für sich
glaube ich es gern«, erwiderte ich.
Wir gingen eine Weile weiter, bis Serena wieder zu reden anfing. »Ich wünschte, du würdest mir sagen, weshalb du wirklich für Damian unterwegs bist.«
»Das habe ich dir doch erzählt.«
»Du machst dir doch nicht die ganze Mühe, nur um ein paar Anekdoten aus vier Jahrzehnten einzusammeln. Candida hat mir berichtet, dass du nach Los Angeles rübergeflogen bist, um die gefürchtete Terry K. zu besuchen.«
Ich hatte keine Lust zu lügen, da das Ende in greifbarer Nähe lag. »Jetzt kann ich es dir nicht erzählen«, sagte ich, »es ist schließlich nicht mein Geheimnis. Aber ich werde dich bald einweihen, wenn du dann noch interessiert bist.«
»Bin ich.« Sie ließ sich meine Antwort eine Weile durch den Kopf gehen. »Nach diesem schrecklichen Abend habe ich ihn nie wiedergesehen.«
»Da bist du nicht die Einzige.«
»Trotzdem denke ich oft an ihn.«
Da sie das Thema nun angeschnitten hatte, versuchte ich zu klären, was seit Langem an mir nagte. »Was wolltest du damals eigentlich, als du aus heiterem Himmel in Lissabon aufgekreuzt bist? Ich sehe euch noch vor mir, wie ihr in diesen grässlichen schwarzen Kleidern, die ihr euch extra leihen musstet, in der brütenden Sonne auf dem Riesenplatz gestanden habt.«
Sie lachte kurz auf. »Das war wirklich eine verrückte Idee.«
»Aber was hast du dir davon erhofft?«
Das war die große Frage, die ich vor Jahren nicht zu stellen gewagt hätte. Doch Serena machte mir weder Vorwürfe, noch schien sie verärgert, dass ich sie so in die Zange nahm. »Nichts, sobald meine Eltern da waren. Ich hätte die ganze Idee aufgeben sollen, sobald feststand, dass sie mitkommen würden.«
»Aber ursprünglich. Als du die Sache ausgeheckt hast.«
Sie schüttelte den Kopf, ihre Haare schimmerten in der Sonne auf.
»Ehrlich gesagt weiß ich nicht, was ich mir erwartet habe. Ich fühlte mich wohl eingesperrt. Und ich war wütend. Mit nicht einmal einundzwanzig war ich verheiratet, Mutter und was weiß ich noch alles, und ich hatte das Gefühl, jemand hätte mich in einen Käfig gelockt und die Tür zugeschlagen. Damian verkörperte alles, was ich verloren hatte. Aber so zu denken war kindisch. Wir waren nicht aufrichtig zueinander gewesen, und das schafft immer Probleme. Es wäre alles anders gekommen, wenn wir heute jung wären, aber das hilft ja auch nicht weiter.«
»Fühlst du dich immer noch eingesperrt?«
Sie lächelte. »Gibt es nicht ein Experiment, bei dem Tiere wieder in den Käfig zurücklaufen, wenn man sie freilässt? Sie müssen nur lange genug im Käfig gehalten werden, dann wird er zu ihrem Zuhause. « Wir schlenderten weiter, hörten dem Vogelgezwitscher zu. »Spricht er manchmal von mir?« Abgesehen von einem gewissen Pawlow’schen Abwehrreflex fand ich die Frage höchst interessant. So gut wie jede Frau hatte sie auf meiner Missionsreise gestellt, dabei gehörte Serena nicht einmal zum Kreis der Kandidatinnen. Es ließ sich nicht mehr leugnen, dass Damian Eigenschaften besitzen musste, die mir damals völlig entgangen waren.
»Natürlich reden wir von dir. Du bist das Einzige, was wir gemeinsam haben.« Ich sagte das scherzhaft dahin, obwohl mehr Wahrheit darin lag, als ich ahnte. Serena ließ sich nichts anmerken, sondern ging nur lächelnd weiter.
»Hast du das Foto in deinem Zimmer gesehen?«
»Ja.«
»Sehr gut. Ich habe es für dich herausgesucht. Mein Gott, waren wir damals jung!«
»Jung und, in deinem Fall, wunderschön.«
Sie seufzte. »Ich begreife nicht, warum wir, du und ich, in diesem Jahr nicht irgendwann zusammengefunden haben.«
Ich blieb stehen wie vom Donner gerührt. »Das begreifst du nicht? Ich schon. Du warst einfach nicht scharf auf mich.« Es hatte keinen Sinn, um den heißen Brei herumzureden.
Sie sah ein wenig verschnupft aus, hatte vielleicht aus meinen Worten
einen Vorwurf herausgehört, der wirklich nicht beabsichtigt war. »Du hast dich nicht sehr nachdrücklich um mich bemüht«, sagte sie schließlich. Anscheinend versuchte sie, auch mir einen Teil der Schuld für die unterbliebene Romanze zuzuschieben.
»Weil ich wusste, dass unsere Freundschaft dann in die Brüche ginge und ich in deinem Leben keinen Platz mehr hätte. Mein Schmachten hat dich amüsiert, solange ich dich nie in Verlegenheit gebracht oder bedrängt habe. Du hättest mich täglich haben können, hättest nur mit dem kleinen Finger zu winken brauchen, und das wusstest du genau. Aber du wolltest mich nie haben,
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