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Eine Klasse für sich

Eine Klasse für sich

Titel: Eine Klasse für sich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julian Fellowes
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außer als Anbeter, der vor dir in die Knie sinkt wie vor einem Altar. Und ich war glücklich dabei. Wenn das alles war, was ich haben durfte, nahm ich es mit Freuden an.«
    Bei diesem ehrlichen Geständnis sah sie mich leicht entsetzt an. »War dir das damals alles bewusst?«
    Ich schüttelte den Kopf. »Nein. Vielleicht unterschwellig. Aber heute weiß ich es genau.«
    »Du liebe Zeit«, sagte sie. »Du stellst mich ja als richtiges Scheusal hin.«
    Aber das stimmte nicht, und es war mir sehr wichtig, ihr das klarzumachen. »Überhaupt nicht. Es lief doch lange sehr gut. Ich war dein Edler Ritter und du meine Unerreichbare Dame , ein Beziehungsmuster, das jahrhundertelang perfekt funktioniert hat. In Portugal ging es in die Brüche, aber dafür konntest du nichts. Nach jenem Abend war die Sache nur noch peinlich, deshalb haben sich unsere Wege getrennt. Was schon viel früher passiert wäre, wenn ich einen Annäherungsversuch unternommen hätte.«
    Sie sann vor sich hin, und wieder gingen wir schweigend weiter. Da raschelte es im Unterholz, und einen Augenblick blitzte im Grün und Braun das typische Rot eines Fuchses auf. Als hätte sie in ihm unseren Freund erkannt, sagte sie: »Damian hat viel angerichtet.«
    »Ich glaube, da würde er dir sogar zustimmen.«
    Die anderen schlossen immer näher auf, bald würde das Gespräch wieder allgemeiner werden. Aber bevor sie uns eingeholt hatten, sagte Serena leise: »Ich hoffe, du hasst mich nicht?«

    Ihre Stimme war sanft und, glaube ich, aufrichtig, und als ich mich ihr zuwandte, lächelte sie. Sie erwartete kaum eine ernsthafte Antwort, sondern wollte sich eher dafür entschuldigen, dass sie mich so verletzt hatte in jenen vergangenen Zeiten, als das Herz so verwundbar war, so furchtbar schmerzen konnte. Ich sah sie an, und zum Millionsten Mal staunte ich über jeden einzelnen ihrer Züge. An ihrem Mundwinkel hing ein winziger Krümel vom Mittagessen, und ich stellte mir ein Leben vor, in dem ich das Recht hätte, ihn wegzuküssen. »Was glaubst du denn?«, fragte ich.

    Das Dinner am Samstagabend war das Hauptereignis des Wochenendes, und pflichtschuldigst badete ich, schlüpfte in eine feinere Hose und ein frisches Hemd, verzichtete widerstrebend auf die Krawatte und zog mein Jackett an. Gut gelaunt ging ich nach unten, aber schon im Salon bewölkte sich meine Stimmung, da zu den Gästen des Abends auch Andrews Mutter zählte. Inzwischen verwitwet, wohnte sie allerdings nicht im richtigen Witwenhaus, einer eleganten Villa am Parkrand, die ein amerikanischer Bankier gemietet hatte, sondern in einem Dorfcottage, in dem früher der Verwalter untergebracht war. Als ich hereinkam, stand sie steif am Kamin. Lady Belton war natürlich viel älter als bei unserer letzten Begegnung, aber die Jahre hatten ihre damals schon beginnende Exzentrik nicht gemildert. Immer noch dieser starre Blick aus den hellblauen Porzellanpuppenaugen, immer noch diese italienisch schwarzen, jetzt freilich gefärbten Haare. Auch ihr Stilgefühl hatte kaum einen Sprung nach vorn gemacht: Sie trug eine Art langes, khakifarbenes Nachthemd mit unregelmäßigem Ausschnitt. Welche Wirkung auch immer sie damit bezweckt hatte, der Versuch war gründlich misslungen. Ihr Schmuck hingegen war, wie ich kaum zu betonen brauche, erstklassig.
    Serena stellte mich ihrer Schwiegermutter mit den Worten vor, bestimmt könne sie sich noch von früher an mich erinnern. Was Lady Belton ignorierte. »Sehr erfreut«, sagte sie und streckte mir ihre magere, knotige Hand hin. Kaum etwas irritiert mich mehr, als wenn mich Leute, denen ich zum tausendsten Mal begegne, mit einem
förmlichen »Sehr erfreut« begrüßen. Eine Dame zum Beispiel, die mich seit meiner Kindheit kannte und berühmt geworden war, tat immer, als wäre ich ein völlig Fremder. Jahrelang beugte sie sich jedes Mal huldvoll zu mir vor, als hätten wir uns noch nie im Leben gesehen. Schließlich beschloss ich, zurückzuschlagen, sollte sie mir noch ein einziges Mal so kommen. Mein grimmiger Vorsatz muss sich in meinem Gesicht gespiegelt haben. Alle Tyrannen verfügen über Antennen, die ihnen melden, wann sie ihre Schikanen lieber einstellen sollten. Sie las in meinen Augen und hielt mir die Hand entgegen. »Wie schön, Sie wiederzusehen«, sagte sie.
    Serena ging mir einen Drink holen und ließ mich mit dem alten Besen allein. »Es ist ja so nett, mich nach den vielen Jahren wieder mit Andrew und Serena auszutauschen«, eröffnete ich schwach das

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