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Eine Klasse für sich

Eine Klasse für sich

Titel: Eine Klasse für sich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julian Fellowes
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an, ob ich sie vielleicht auf den Arm nahm, aber mein Blick war unschuldig wie der eines Neugeborenen. »Jetzt bin ich aber platt«, sagte sie. »Hat er dir wirklich nie etwas erzählt?«
    Da fragte ich noch einmal und hörte staunend zu.
    Candida hatte Damian gut gekannt, schon lange vor dem Ballabend. Sie hatte mit ihm auf ihre furchteinflößende Art geflirtet, mit ihm getanzt, und ich nehme stark an, auch mit ihm geschlafen; jedenfalls hatten sie sich im Laufe der Saison richtig angefreundet. Und es war ihr gelungen, ihn bei den Greshams als Hausgast einzuschleusen, ohne Verdacht auf Serena zu lenken, und …
    »Aber eins begreife ich nicht. Warum hast du das getan? Ich dachte, du wärst selbst in ihn verschossen gewesen.« Bei der Erinnerung an jene andere, augenrollende Candida vom Queen Charlotte’s Ball überlief mich fast eine Gänsehaut.
    Sie schüttelte den Kopf. »Das war längst vorbei. Und dann haben er und Serena sich doch ineinander verliebt.« Wieder redete sie, als müsste ich zumindest etwas vermutet haben, als wäre meine Ahnungslosigkeit nur affektiertes Getue. »Das heißt, ich dachte, es wäre gegenseitig«, fuhr sie fort. »Serena hat ihn ganz sicher geliebt.«
    »Das kann ich nicht glauben!« Natürlich war es so, dass ich es nicht glauben wollte . Und wirklich, was hatte ich schon für Beweise
gesehen? Na schön, sie hatten sich geküsst. Aber wenn jeder Kuss gleich Liebe bedeutet …
    Candida zuckte mit den Achseln, wie um zu sagen, glaub doch, was du willst, ich jedenfalls sage die Wahrheit. »So absurd das klingt, sie wollte ihn heiraten, und wie du weißt, war sie damals achtzehn und er neunzehn und noch an der Uni, deshalb brauchten sie die Einwilligung ihrer Eltern.«
    »Warum denn? Wann wurde das Gesetz geändert?«
    »Anfang 1970. 1968 galt für die Volljährigkeit noch die Altersgrenze von einundzwanzig Jahren.«
    »Aber die Claremonts hätten nie eingewilligt. Selbst wenn er der Herzog von Gloucester gewesen wäre.«
    »Doch, dann schon. Haben sie ja auch. Im Jahr darauf haben sie Serena zur Heirat mit Andrew gedrängt, da war sie erst neunzehn.« Das stimmte. »Serena hatte sich jedenfalls eingebildet, wenn ihre Eltern Damian erst einmal kennenlernten, wären sie von ihm hingerissen und würden der Verbindung zustimmen. Inzwischen weiß ich, wie aussichtslos diese Hoffnung war.«
    »Mehr als aussichtslos. Völlig verrückt.«
    Meine Bemerkung reizte sie ein wenig. »Ja. Nun ja, das weiß ich inzwischen selber, aber damals war ich überzeugt, oder Serena hatte mich überzeugt, dass es klappen könnte. Sie wollte mit Damian ja nicht ins Niemandsland abtauchen, sondern war sicher, dass er eine unglaubliche Karriere vor sich hatte. Die Geschichte hat ihr tausendmal recht gegeben.«
    Ich nickte. Das Gespräch wurde mir langsam unangenehm. Ich fühlte mich benommen und spürte ein Prickeln, als brütete ich eine Erkältung aus. Ich will nicht behaupten, ich hätte die Anziehung zwischen Serena und Damian nicht bemerkt, und schließlich hatte ich die Knutscherei auf Terrys Ball mitbekommen. Schon darauf hatte ich mit Eifersucht, Zorn und Entrüstung reagiert, aber heiraten … das war etwas ganz anderes.
    Mir wurde eine Lektion fürs Leben erteilt, die ich allerdings kaum noch werde anwenden können: Nur weil man einem Menschen in den Sattel hilft, heißt das nicht, dass man danach noch Einfluss auf
ihn hätte oder auch nur das Recht, so zu tun. Auch wenn Damian jenes Jahr unter meiner Ägide begann, auch wenn er diese Leute anfangs durch mich kennenlernte, hatte er sich am Ende des Jahres in ihrer Welt einen Platz geschaffen, der nicht weniger galt als mein eigener.
    Ich hatte Damian ins Rennen geholt, und auf der Zielgeraden hielt er in Händen, was mein Lebensglück bedeutet hätte. Ich war so außer mir vor Eifersucht, dass ich fast die Beherrschung verlor.
    »Irgendwie haben Serenas Eltern von ihren Plänen Wind bekommen. Vielleicht hat Andrew seine Mutter gewarnt. Die gefürchtete Lady B. War sie heute Abend nicht wieder grauenhaft?«
    »Absolut.«
    »Sie wollte sich Serena ja unbedingt für Andrew krallen und hat vielleicht absichtlich Sand ins Getriebe geworfen, aber das werden wir nie erfahren. Am Tag des Balls ist Serena gemeinsam mit Damian von London hergefahren. Ich bin von woanders aufgebrochen und gegen fünf hier angekommen, nach den meisten anderen Hausgästen, und alle saßen schon im Salon und tranken Tee. Natürlich war Tante Roo absolut reizend …«
    »Warum heißt

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