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Eine Klasse für sich

Eine Klasse für sich

Titel: Eine Klasse für sich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julian Fellowes
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sie eigentlich Tante Roo?«
    Candida dachte kurz nach. »Ganz sicher bin ich nicht, glaube aber, es hat mit Pu der Bär zu tun. Erinnerst du dich, dass die Känguruhmutter Kanga hieß und ihr Junges Roo?« Ich nickte. »Auf Barrymount in Irland, wo Tante Roo aufgewachsen ist, haben sie gern Pu der Bär gespielt. In Wirklichkeit heißt sie Rosemary, aber in der Familie wurde sie nur Roo genannt.« Spitznamen wie der Lady Claremonts machen die Mauern der Festung, gegen die Damian in seiner jugendlichen Unwissenheit hatte anrennen wollen, nur noch unbezwingbarer.
    »Als ich reinkam, legte sich Damian gewaltig ins Zeug. Viel zu sehr. Er lächelte und plauderte und brillierte und spreizte das Gefieder, und Tante Roo lachte und fragte ihn nach Cambridge und so weiter, aber ich erinnere mich, wie ungewöhnlich still Onkel Pel war, und Serenas Blick verriet mir schon, dass es nicht so gut lief, wie Damian offenbar glaubte. Auch die Hausgäste grenzten ihn aus, mit
diesem fiesen Schweigen, lachten nicht richtig über seine Witze, bezogen ihn nicht richtig ein. Meine andere Tante war auch da, und während Damian weiterquasselte, tauschten Tante Sheila und Tante Roo stumme schwesterliche Blicke, was mir wahnsinnig gemein und unfair vorkam. Ich weiß, es klingt seltsam, aber ich bekam eine Stinkwut, so leid tat mir Serena, eigentlich beide.« Die Erinnerung raubte ihr immer noch den Atem. »Da erkannte ich wohl, dass sie keine Chance hatten.«
    Sie hielt kurz inne, als hätte sie zum ersten Mal bemerkt, wann die Würfel gefallen waren. »Nun ja. Wir gingen alle hinauf, uns umziehen, und ich saß an meinem Frisiertisch, da klopfte es, und Roo und Pel kamen herein. Sie waren schon umgezogen, Roo blitzte und blinkte nur so vor Diamanten, und alle hätten fröhlich und blendend gelaunt sein sollen, waren es aber nicht. Onkel Pel sagte: ›Wie lange geht das schon?‹ Wir verstummten, als hätte ich nun fragen sollen, wovon er sprach, aber natürlich wussten wir es ganz genau, und damit erübrigte sich die Frage. Ich begann Serena und Damian zu verteidigen, alle beide, aber ich hörte selbst, wie kindisch und lächerlich das klang, als sähe ich es plötzlich mit ihren Augen. Ich hatte Onkel Pel noch nie so zornig erlebt, hatte ihn überhaupt noch nie zornig gesehen, aber an diesem Abend platzte er vor Wut, spie richtig Feuer. ›Sie will mit diesem schmierigen kleinen Proleten durchbrennen?‹, sagte er. ›Mit diesem Schleimer, mit seinen fettigen Haaren und der grauenhaften Aussprache und seinem Nett, Sie kennenzulernen und dem Anzug von Marks & Spencer?‹ Das vergesse ich nie. › Dem Anzug von Marks & Spencer. ‹ Ich warf einen Blick zu Roo hinüber, und sie sagte: ›Watson hat für ihn ausgepackt‹, so viel also dazu. Dann war sie an der Reihe. ›Natürlich wollen wir, dass Serena glücklich wird‹, sagte sie. ›Das ist unser ganzer Wunsch. Wirklich und wahrhaftig.‹ Eine himmelschreiende Lüge. ›Aber schau mal, wir möchten, dass sie auf eine Weise glücklich wird, die wir begreifen und die von Dauer ist.‹
    Ich sagte, ich glaubte schon, dass es von Dauer sein würde. Aber ich merkte selber, dass ich mich anhörte wie eine brave kleine Musterschülerin, die darum bittet, am Abend länger wegbleiben zu dürfen. « Candida seufzte. »Ich fürchte, ich habe nicht viel bewirkt.«

    »Damian hat tatsächlich gesagt: ›Nett, Sie kennenzulernen‹?«
    »Offenbar. Das zeigt nur, wie nervös er gewesen sein muss.«
    »Armer Kerl. War’s das dann?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Ach wo. Onkel Pel schäumte richtig und fuchtelte mir mit dem Finger vor der Nase herum wie ein Lehrer in einer Sitcom, als wäre ich die Schuldige, weil ich Damian eingeschmuggelt hatte. ›Du kannst Serena ausrichten, sie soll diesen kleinen Parvenü, diesen geldgierigen Dreckskerl vor die Tür setzen‹, sagte er. ›Du kannst ihr ausrichten, sie soll ihn rausschmeißen, bevor ich es tue. Ein solcher Bursche kommt mir nur durch den Dienstboteneingang ins Haus oder überhaupt nicht.‹«
    Ich konnte mich nicht beherrschen, sondern fiel Candida ins Wort. »Das klingt reichlich vulgär für den Lord Claremont, an den ich mich erinnere.«
    Candida nickte. »Du hast ganz recht. Das war überhaupt nicht seine Art. Ich glaube, er war so wütend, dass bei seinem inneren Sprachzensor die Sicherung durchgeschmort ist. Ich muss fair zu Roo sein; auch ihr war das zu viel und sie kanzelte ihn ab: ›Also wirklich, Pel, du klingst idiotisch. Wir sind doch nicht

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