Eine Klasse für sich
Wogen zu glätten. Ich muss gestehen, dass ich damals nicht ganz begriff, was Joanna an ihm fand. Aber ich war jung, und die Wahl ihres Lebenspartners setzte Joanna in meinen Augen keineswegs herab. Chacun à son goût. »Wie ist das Eheleben?«
»Ganz okay«, sagte sie. Aber dann, nach einer Pause: »Ein bisschen zäh.« Das ließ unangenehm tief blicken. Ich äußerte mich nicht dazu.
»Hast du Damian schon gesehen?«
Sie schüttelte den Kopf. »Er ist immer noch in seinem Zimmer.
Wir sind viel zu früh da. Meine Mutter konnte es einfach nicht erwarten. Das hier ist die Welt, die sie sich immer für mich gewünscht hat, und sie glaubt, ich sei wegen Kieran aus dieser Welt ausgestiegen. Ihrer Meinung nach bin ich am Absaufen. Gesellschaftlich. Sie will mich ans Ufer zurückrudern. Sie will eine Scheidung, möglichst bald.«
»Das kann doch nicht dein Ernst sein.« 1970 sträubten sich mir die Haare, als ich das hörte. Nur zehn Jahre später wäre niemand mehr entsetzt gewesen.
»Doch, doch. Sie glaubt, wenn ich Kieran jetzt fallen lasse, werden ihn alle vergessen. Wir haben keine Kinder, obwohl wir rammeln wie die Karnickel.« Sie hielt kurz inne, um sich zu vergewissern, dass ich schockiert war. Eine Frau, die sich so ausdrückte, konnte damals durchaus damit rechnen. Als ich rot wurde, errötete sie selbst ein wenig und fuhr dann fort: »Sie glaubt, wenn sie mich jetzt von Kieran loseist, könnte man in meiner zweiten Ehe meine Vergangenheit unter den Teppich kehren.«
»Und sie wäre mit Damian zufrieden?«
»Nach Kieran wäre sie sogar mit einem chinesischen Wäschereibesitzer zufrieden.«
Ich lächelte. Obwohl mich Valerie Langleys Einsatz in gewisser Weise beeindruckte. Meine Eltern hätten in einer ähnlichen Situation nur achselzuckend geseufzt und gelegentlich sehr alten Freunden gestattet, sie zu bedauern. Aber es wäre ihnen nie eingefallen, aktiv einzuschreiten. Nicht, dass ich Valerie Langleys Plan billigte. Joanna hatte schließlich ihr Ehegelübde abgelegt, was damals noch etwas bedeutete. Dennoch wurden mir ihre Eltern durch ihre Bemühungen nicht unsympathisch. »Was meint dein Vater dazu?«
»Er mag Kieran ganz gern, aber er wurde nicht gefragt.«
»Ist Kieran auch hier?«
Sie nickte. »Und er weiß genau, was meine Mutter im Schilde führt.«
»Du lieber Himmel.« Natürlich waren wir zum springenden Punkt noch gar nicht vorgestoßen. »Könntest du dir vorstellen, Kieran aufzugeben?«
Sie dachte über meine Frage nach, aber ich glaube nicht, dass sie darüber wirklich ins Wanken geriet. »Nein«, sagte sie. »Den Gefallen tu ich ihr nicht.«
Kieran de Yong war der Erste, den ich erblickte, als ich mich schließlich ins Getümmel stürzte. Er war auch schwer zu übersehen mit seinen in einem besonders giftigen Rotblond gefärbten Haaren. Die Militärjacke über der engen Jeans hätte fast von der königlichen Leibgarde stammen können, hätten nicht die umgeschlagenen Ärmel das Futter aus rosa Satin gezeigt. Sein wild gemustertes Hemd stand am Hals weit offen, damit die zwei, drei dicken Goldketten gut zu sehen waren. Insgesamt machte er mit seinem Aufzug eine weniger abstoßende als traurige Figur, und nach dem, was ich gerade gehört hatte, tat er mir richtig leid. »Kennst du Portugal?«, fragte ich bemüht interessiert.
Er schüttelte den Kopf. »Nein.«
Lucy war zu uns getreten und versuchte es mit: »Wo wohnt ihr beiden denn jetzt?«
»In Pimlico.«
Wir waren beide ziemlich verdattert, denn wir konnten schlecht den ganzen Abend dastehen und ihm Fragen stellen, die er dann mit ein, zwei Worten abfertigte. Aber dann zeigte er sich weniger unterbelichtet, als wir alle angenommen hatten: »Ich weiß, was hier gespielt wird, auch wenn Joanna glaubt, dass ich es nicht weiß. Aber ich lasse mich nicht rausekeln.«
Lucy hatte natürlich keine Ahnung, was er damit meinte, ich aber sehr wohl, und es war Kieran hoch anzurechnen, dass er überhaupt in diesen Urlaub eingewilligt hatte. Fraglos die Entscheidung eines tapferen Mannes. Ich konnte dazu schlecht etwas sagen, ohne mich selbst in Schwierigkeiten zu verstricken, aber ich lächelte, füllte sein Glas und versuchte ihm zu vermitteln, dass ich nicht zu seinen Feinden gehörte.
Damian ließ sich immer noch nicht blicken, seine Vorhänge waren fest zugezogen. Da hörte ich ein paar Autos vorfahren, gleich darauf Stimmen und das Öffnen und Zuschlagen von Türen, und dann traten die gesammelten Claremonts und Beltons auf die
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