Eine Klasse für sich
zugehört.«
Dagmar hatte uns eingeholt und ging rechts von mir. »Und du?«, fragte ich sie, aber auch sie hatte nichts bemerkt. Überhaupt kam sie mir an jenem Abend sehr still und ungewohnt nachdenklich vor. Ich zog die Augenbrauen hoch und sah sie fragend an, aber sie schüttelte nur traurig lächelnd den Kopf. »Nichts Besonderes. Ich überlege nur, was ich mit dem Rest meines Lebens anfangen soll.«
»Großer Gott.«
Sie schwieg, bis Joanna, die auf George Tremayne warten wollte, ein Stück zurückgefallen war. »Du hast gestern Abend damit angefangen«, sagte sie dann. »Du und Damian.« Mit ihrem feuchten, bebenden Mund wirkte sie herzerweichender denn je. »Ich will nichts weiter als einen netten Mann, der mich liebt. Das klingt pathetisch, aber so ist es nun mal. Es ist mir egal, wie ich lebe, solange es nicht gerade in einer Baracke ist. Ich will nur einen netten Mann, der mich liebt und mit Respekt behandelt.«
»Der taucht bestimmt noch auf«, versicherte ich ihr. Welchen blinden Optimismus man in der Jugend doch hat – ich ahnte damals nicht, wie restlos ihr eine auch nur erträgliche Zukunft versagt bleiben sollte.
Dagmar nickte mit einem leisen Seufzer. Mir war schleierhaft, warum sie plötzlich von einer solchen Melancholie ergriffen wurde; heute weiß ich natürlich Bescheid. Am Abend zuvor hatte ihr Damian nach ihrem letzten Stelldichein eröffnet, dass er nie mit ihr leben könne, dass sie nie den Mann bekommen werde, den sie mehr als alle anderen Männer auf dieser Welt liebte und sich ersehnte. Jeder, der
eine ähnliche Abfuhr erlitten hat, wird es ihr nachfühlen. Schließlich sagte sie mit einem wehmütigen Lächeln: »Vielleicht. Que sera sera .«
»Sicher entwickelt sich alles zum Besten.«
»Das möchte ich bezweifeln.«
Schließlich spürte Candida wohl — oder betete darum –, dass die Gefahr vorüber war, und gab das Signal zum Rückmarsch. Langsam kehrten wir zur Villa zurück. Inzwischen dämmerte es; die Hausmädchen hatten Kerzen auf den Tisch gestellt und die Strahler eingeschaltet, die das Haus beleuchteten. Es kam uns vor, als stiegen wir den Pfad durch die Felsen zu einem juwelenfunkelnden Feenpalast hinauf.
Das Dinner begann durchaus friedlich. Der erste Gang war eine portugiesische Variante der italienischen Insalata caprese , reichlich mit Oliven garniert. Ich habe den Namen vergessen, aber der Salat schmeckte köstlich, und wir langten kräftig zu, was auch gut war, denn – was noch keiner ahnte — wir mussten bis zum nächsten Morgen davon zehren. Die Widrigkeiten begannen, als das Hauptgericht serviert wurde, ein Fischragout, das vorzüglich aussah und duftete, auch wenn es mir nicht vergönnt war, etwas davon zu kosten. Die finsteren Frauen kamen mit drei großen weißen Porzellanschüsseln aus der Küche, reichten sie aber nicht jedem Einzelnen, sondern stellten sie in Abständen auf den Tisch, zur Selbstbedienung. Seit unserer Rückkehr hatte Lord Claremont kräftig dem Wein zugesprochen. Verständlicherweise, was mir aber damals nicht klar war: Er war schlichtweg außer sich, weil er Damian in diesem Haus vorfand, in das er und seine Frau, wie es sich ihm darstellte, mit List und Tücke gelockt worden waren. Aber nicht genug damit, dass er mit diesem Gauner konfrontiert wurde – er fand sich auch noch neben einer sehr gewöhnlichen, ihm unbekannten Frau platziert, die ihn immerzu in ein Gespräch über Dinge und Leute verwickeln wollte, von denen er nie gehört hatte. Valerie Langley dagegen war von ihrem placement überaus entzückt, da es eines ihrer Hauptziele dieser Reise gewesen war, für sich und ihre Tochter Beziehungen zu den Claremonts zu knüpfen; sie merkte nicht, auf wie wenig Gegenliebe sie stieß.
Um alles richtig zu verstehen und den Grund für den Ausbruch zu begreifen, muss man bedenken, dass Pel Claremont Damian Baxter für einen Lügner hielt, für einen unmanierliche, schmierigen Proleten, der rein zum eigenen Vorteil Serena in eine Ehe hatte locken wollen, ohne Rücksicht darauf, dass er damit ihr Leben ruiniert hätte. Das war freilich nicht meine Sicht der Dinge. Aber es war die seine, und er sah nicht ein, warum er mit dem Urheber solcher Unbill auch noch beim Dinner sitzen sollte. Serena und Candida hatten ihr Vorhaben schlicht und einfach nicht gründlich durchdacht. Es war genauso zum Scheitern verurteilt wie die ursprüngliche Idee, Serenas Eltern würden sich schon erweichen lassen, wenn sie Damian erst einmal kennengelernt
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