Eine Klasse für sich
wurden in den Dreißiger – und Vierzigerjahren vielleicht nicht mehr in eine arrangierte Ehe gedrängt, aber ganz sicher von Ehen abgehalten, die die Eltern missbilligten. Wir alle kannten Geschichten von Tanten und Großtanten, die zum Malen nach Florenz, zu einer Großmutter nach Schottland oder zum Auffrischen der Französischkenntnisse in ein Château in den Schweizer Alpen geschickt wurden, alles nur, um eine unerquickliche Romanze zu unterbinden. Und zum Leidwesen aller Barbara-Cartland-Fans funktionierte das meistens auch.
Ich will damit nicht behaupten, dass alle jungen Frauen, die diesen Weg beschritten, zu bemitleiden waren. Im Gegenteil, viele verlebten die ersten Ehejahre quietschfidel in London, meist in einer nach Meinung ihrer Mütter eher abwegigen Gegend. Und wenn sie ihren Gatten klug gewählt hatten, zogen sie vielleicht ins Herrenhaus auf dem Landgut des Schwiegervaters (»Fizzy und ich waren allein in dem Riesenhaus und fanden es an der Zeit, es den Kindern zu übergeben. «) Manchmal erwies sich der Schwiegervater als renitent und wollte den Jungen nicht weichen, meist aber gab es gar kein großes Haus zu erben; in solchen Fällen kaufte das junge Paar ein Cottage oder Bauernhaus oder, wenn es in der City wirklich gut lief, ein Gutshaus aus der Queen-Anne-Zeit in Gloucestershire, Oxfordshire oder Suffolk. Von da an ging er auf die Jagd und schimpfte über die Politik, beide liefen Ski und sorgten sich um die Kinder, und sie engagierte sich für wohltätige Zwecke, gab Gesellschaften und verkaufte, falls es in der City nicht ganz so gut lief, Modeschmuck an wehrlose Freundinnen. Bis die Kinder groß waren und es Zeit wurde, in bescheidenere Räumlichkeiten umzuziehen und schließlich zu sterben. Und damit wir’s nicht vergessen und nicht allzu viel Mitleid mit ihnen empfinden: Dies alles war erheblich besser, als seinen Lebensunterhalt im Staub der Steppen Usbekistans zusammenzukratzen.
Aber wo in diesem System blieb jemand wie Candida Finch? Sie
war eindeutig nicht auf den Kopf gefallen, doch milde ausgedrückt waren weder ihre Erscheinung noch ihre Umgangsformen dazu angetan, ihren Mangel an Qualifikationen auszugleichen. Kaum anzunehmen, dass ein geeigneter Gatte aus dem nächsten Fahrstuhl treten würde. Und Geld war nicht viel da. Welche Wege standen ihr überhaupt offen? »Was würdest du denn gern machen?«, fragte ich.
Wieder wütendes Augenrollen. »Was kann ich denn machen?«
»Ich habe gefragt, was du gern machen würdest.«
Das stimmte sie dann doch ein wenig milder, schließlich zeigte ich aufrichtiges Interesse. »Ich glaube, ich würde gern in einem Verlag arbeiten, habe aber keinen Abschluss. Und wir beide wissen, dass ich den nicht nachholen kann, diesen Vorschlag kannst du dir also gleich sparen. Dafür ist es jetzt zu spät, ich habe den richtigen Moment verpasst. Vielleicht kann ich bei meinen Paten ein paar Pfund lockermachen und in einen eigenen Kleinverlag stecken. Aber meine Geldgeber müssten sich darauf gefasst machen, jeden Penny zu verlieren, und das alles nur, um mir das Recht zu erkaufen, auf Partys übers Verlagswesen zu plappern. Mehr würde dabei ja doch nicht herausspringen.«
»Vielleicht stellst du dich von vorneherein aufs Scheitern ein, um deine Stiefmutter zu ärgern. Ob Pleite oder Erfolg, es hört sich ohnehin so an, als ließe sie beides ziemlich kalt.« Fast hätte ich das nicht gesagt, weil die Kürze unserer Bekanntschaft solche Direktheit eigentlich verbot, aber Candida lachte.
»Da liegst du vollkommen richtig.« Ihre Stimme klang nun wärmer als zuvor. »Weißt du, du machst das wirklich mit links.«
Als das Essen vorüber war, huschten auf ein verabredetes Signal hin die weiß gekleideten Debütantinnen davon, und an den Tischen blieben nur noch die Eltern, die Männer und ein paar vereinzelte Nichtdebütantinnen zurück, bunt gekleidet und schlecht gelaunt. Gleich würde die Zeremonie beginnen, deretwegen wir gekommen waren. Ich will nicht behaupten, dass die Euphorie, die nun die Mütter im Saal ergriff, auf mich übersprang, aber auch wir Männer waren ziemlich gespannt. Erst wurde eine riesige, fast zwei Meter hohe Torte in die Mitte der Tanzfläche gerollt. Dann erhob sich mit hoheitsvollem Ernst die Schirmherrin des Balls, schritt zu dem Backwerk hinüber
und stellte sich daneben in Positur. Meiner Erinnerung nach war es stets Lady Howard de Walden, aber vielleicht täusche ich mich auch und sie wechselte sich mit irgendeiner
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