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Eine Klasse für sich

Eine Klasse für sich

Titel: Eine Klasse für sich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julian Fellowes
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bekanntes Gesicht. Vor Kurzem habe ich Serena bei einer Wohltätigkeitsveranstaltung gesehen.«
    Das schien eine unausgesprochene Frage zu bestätigen. »Ja, ich habe mir schon gedacht, dass du vielleicht mit Serena in Verbindung geblieben bist.«
    »Bin ich gar nicht. So kann man das nicht nennen.« Fragend zog sie eine Augenbraue hoch. Um die Dinge voranzutreiben, verriet ich ihr: »Aber vor Kurzem habe ich Damian Baxter besucht. Erinnerst du dich an ihn?«
    Die letzte Frage war überflüssig. Lucy erblasste. »Natürlich erinnere ich mich an ihn. Ich war doch an jenem Abend dabei.«
    Ich nickte. »Ach ja, stimmt.«
    »Aber auch ohne dieses Erlebnis würde niemand den Herzensbrecher des Jahres vergessen.« Diesmal hatte ihr Lachen einen leicht bitteren Beigeschmack. »Inzwischen ist er wohl furchtbar reich.«
    »Furchtbar reich und furchtbar krank.«
    »Das tut mir leid«, sagte sie ernüchtert. »Aber er wird sich doch wieder erholen, oder?«
    »Ich glaube, nicht.«
    »Oh.« Meine Antwort drängte ihre Bitterkeit in das Schlupfloch zurück, aus dem sie hervorgekrochen war. »Früher musste ich darüber lachen, wie krampfhaft unsere Mütter uns von ihm weggezerrt haben. Wenn sie nur gewusst hätten, dass er einer der ganz wenigen unserer Tänzer war, der die Show hätte am Laufen halten können! Hat er denn geheiratet?«
    »Ja, aber niemanden aus unseren Kreisen. Die Ehe hat nicht lange gehalten.«
    Sie verdaute die Information. »Ich war wahnsinnig in ihn verknallt.«
    Langsam ging mir meine eigene Ahnungslosigkeit auf die Nerven. »Das hast du aber gut verheimlicht.«

    »Nur, weil du ihn da schon gehasst hast. Ich hätte mich nie getraut, es dir zu erzählen. Bist du jetzt enttäuscht?«
    »Ein bisschen schon. Du hast immer so getan, als könntest du ihn genauso wenig ausstehen wie ich. Auch vorher schon. Als ich noch mit ihm befreundet war.«
    Sie beachtete meine Einwendungen nicht weiter. »Nun ja …« Ihr Ton schlug von Gleichmut in Wehmut um. »Das ist alles schon so lange her.« Als schämte sie sich für ihr momentanes Abwiegeln, nahm sie einen neuen Anlauf: »Ich hätte ihn geheiratet, wenn er mir einen Antrag gemacht hätte.«
    »Was hätte deine Mutter dazu gesagt?«
    »Das wäre mir egal gewesen. Einmal dachte ich sogar, ich müsste ihn zwingen.« Ich sah sie an und wartete auf eine Erklärung. Sie lächelte geziert. »Als ich mit Margaret schwanger wurde, konnte ich nicht mit letzter Sicherheit sagen, wer der Vater war.« Ich unterdrückte einen Aufschrei. Schon der erste Schuss ein Treffer? Es kostete mich Mühe, ruhig zu bleiben und sie ausreden zu lassen. »Ich war mit Damian nie so richtig zusammen, aber es gab einen Moment, an diesem Nachmittag in Estoril …« Sie kicherte verlegen. »Ihr wart alle auf der Terrasse, und ich habe mich davongeschlichen …« Ich muss wohl missbilligend dreingeschaut haben, da sie belustigt zu prusten begann. »Das war in den Sechzigern! Freie Liebe und so. Ich war eine von den ganz Wilden. Komisch, weil Margaret bei Weitem das bravste meiner Kinder ist. Das einzige Brave sogar.«
    Diese Situation kam mir bekannt vor. »Unsere Eltern haben sich früher immer über die Problemkinder in den Familien unterhalten«, sagte ich. »Jetzt sind Problemkinder die Norm, und wenn man Glück hat, hat man ein Ausnahmekind, das keine Probleme macht.«
    Lucy lachte. »In unserer Familie ist das Margaret. Eigentlich seltsam, weil sie uns schreckliche Sorgen gemacht hat, als sie klein war.«
    »Was für Sorgen?«
    »Sie hatte Herzprobleme. Für ein Kind ziemlich grausam, nicht? Sie litt an einer Krankheit namens Hereditäre Hypercholesterinämie.«
    »Du lieber Himmel!«

    »Ich weiß. Ich habe einen Monat gebraucht, bis ich das überhaupt sagen konnte.«
    »Jetzt kommt es dir recht flüssig über die Lippen.«
    »Du weiß ja, wie es ist. Am Anfang kannst du es nicht einmal aussprechen, und am Ende bist du so beschlagen, dass du eine eigene Klinik aufmachen könntest.« Sie verlor sich kurz in jener schrecklichen, nie ganz vergessenen Episode ihres Lebens. »Komisch. Jetzt kann ich beinahe darüber lachen, aber damals war es unglaublich schlimm. Bei dieser Krankheit produziert der Körper Unmengen Cholesterin, und irgendwann bekommt man einen Herzinfarkt und stirbt. Heute ist in jedem zweiten Satz von Cholesterin die Rede, aber damals war es noch ein Fremdwort, ein beängstigendes. Und früher verlief die Krankheit stets tödlich, mehr oder weniger zu hundert Prozent. Der erste

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