Eine Klasse für sich
war mir sicher, dass sich noch zu meinen Lebzeiten eine neue Oligarchie von Reichen etablieren würde, und felsenfest überzeugt, dass Damian dazugehören würde.«
Zum Älterwerden gehört die eigentümliche Entdeckung, dass alle, mit denen wir zusammen jung waren, ihre Gedanken genauso
wenig hatten ausdrücken können wie wir selbst. Die meisten von uns halten sich in ihrer Jugend für missverstanden und alle anderen für dumm. Betrübt stellte ich fest, dass ich mit Dagmar sehr viel enger hätte befreundet sein können, wenn ich nur erkannt hätte, was in ihrem kleinen Kopf vor sich ging. »Und was sprach dagegen? Konntest du deine Mutter nicht überzeugen?«
»Das war nicht der Grund. Sie hätte schon nachgegeben, wenn ich nur laut genug gekreischt hätte. Schließlich hat sie ja auch der Ehe mit William zugestimmt, einem gesellschaftlichen Niemand, weil sie ihm zutraute, viel Geld zu verdienen.«
»Woran lag es dann?«
Sie seufzte. »Er wollte nicht.« Was sie offensichtlich immer noch bedauerte. Sie runzelte die Stirn und rückte das Gesagte hastig zurecht. »Ich meine, er mochte mich schon, und das ganze … Brimborium bei uns hat ihn reichlich amüsiert. Aber er wollte mich nicht haben. Nicht als Frau.« Die traurige Wahrheit war natürlich, dass keiner von uns sie haben wollte. Jedenfalls nicht auf diese Art , wie Nanny es umschreiben würde, dafür war sie zu bedürftig , zu sehr das ungeliebte, bedauernswerte Kind. Mich überkam großes Mitleid für unser jüngeres Selbst, das sich in unerwiderter Liebe verzehrt hatte, was zumindest bei den Unattraktiveren unter uns der Fall gewesen war. Wir sehnten uns danach, dem Objekt unserer Leidenschaft unsere gewaltige Liebe zu gestehen, denn irgendwie glaubten wir, so könnten wir das Eis zum Schmelzen bringen. Dabei wussten wir tief im Innersten genau, dass das ein Trugschluss war.
Dagmar war mit ihrem Thema noch nicht zu Ende. »Es gab einen Moment, als ich dachte, ich könnte ihn kriegen. Ich dachte, ich könnte ihm alles verschaffen, was er sich von der Saison erwartete. Gesellschaftliche … « Sie zögerte. Unter dem Ansturm der Gefühle war sie auf schwankenden Boden geraten, wieder überkam sie die alte schüchterne Unsicherheit. »Du weißt schon … gesellschaftliches Dings … und ich dachte, er wäre so scharf darauf, dass er sich mit mir als Dreingabe abfinden würde.« Sie sah mich von der Seite an. »Das klingt wohl sehr verzweifelt.«
»Das klingt sehr entschlossen. Ich bin überrascht, dass es nicht
funktioniert hat.« Das war mein voller Ernst. Ob er Dagmar nun attraktiv fand oder nicht, jedenfalls hätte ich nicht gedacht, dass sich der Damian Baxter von damals eine Prinzessin hätte entgehen lassen.
Jetzt war sie es, die mich mitleidig anblickte. »Du hast ihn nie verstanden. Nicht einmal vor diesem schrecklichen Dinner in Portugal. Du hast geglaubt, er wolle alles haben, was du hast. Mehr, als du hast. Was in gewissem Sinn sogar stimmte. Aber in unserem gemeinsamen Jahr wurde ihm irgendwann klar, dass er es nur zu seinen eigenen Bedingungen haben wollte, oder gar nicht.«
»Vielleicht bewunderst du ja genau das an einem Mann. William hat es jedenfalls zu seinen eigenen Bedingungen bekommen.« Das klang vielleicht grausam, aber Dagmar fasste es nicht so auf.
Sie schüttelte den Kopf, um den Unterschied zwischen den beiden Männern zu betonen. »William ist ein Kleingeist. Er hat mich geheiratet, um ein bedeutender Mann zu werden. Als er sich dann ein eigenes Vermögen erarbeitet, einen Titel gekauft und damit Bedeutung erlangt hatte, wie er dachte, konnte er meine Bedeutung neben sich nicht mehr ertragen. Er will mich klein haben, damit er noch größer rauskommt.« Unsäglich traurige Worte aus dem Mund dieser winzigen Gestalt. Sie wirkte so zerbrechlich. »Er glaubt, wenn er meine Abstammung ins Lächerliche zieht, mein Aussehen kritisiert und gähnt, sobald ich den Mund aufmache, stellt er mich als diejenige hin, die ihn braucht, nicht umgekehrt.«
»Trotzdem kauft er die Porträts deiner Vorfahren.«
»Da hat er wenig Wahl. Würde er darauf warten, dass Bilder von seinen Vorfahren auftauchen, dann müssten wir mit nackten Wänden leben.« So ein wenig Scharfzüngigkeit aus ihrem Mund tat gut.
»Warum verlässt du ihn nicht?« Schwer zu erklären, aber diese Frage wirkte in jenem Moment keineswegs aufdringlich.
Sie dachte kurz nach. »So ganz begreife ich das auch nicht. Lange war es wegen der Kinder, aber die sind längst
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