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Eine Koelner Karriere

Eine Koelner Karriere

Titel: Eine Koelner Karriere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Ziegler
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eine Minute«, erwiderte sie, und plötzlich war etwas Kaltes und Boshaftes in ihren Mandelaugen, das so ganz und gar nicht zu ihrem hinreißenden Lächeln paßte. »Dann sehen wir weiter.«
    Markesch richtete sich halb auf. »Und was sehen wir dann?« wollte er ungeduldig wissen. Er schluckte, um den bitteren Geschmack im Mund zu vertreiben, und spürte plötzlich eine seltsame Benommenheit, als hätten alle Scotch dieses Tages nur auf diesen einen Moment gewartet, um ihre konzentrierte Wirkung zu entfalten. Außerdem bockte das Bett mit einem Mal wie ein Schlauchboot, dem auf hoher, stürmischer See jäh die Luft ausging. Er sank zurück in die Kissen und hielt sich an der Matratze fest.
    »He«, murmelte er undeutlich. »Was ist mit dem Scheißbett los?«
    Denise schwieg und lächelte nur kalt und teilnahmslos wie ein Eiswürfel.
    Und ihr Lächeln war das letzte, was er sah, bevor tief in seinem Kopf dieser lauter und immer lauter werdende Trommelwirbel losdröhnte und er in diesen schwarzen, verschlingenden Strudel stürzte, in den sich die Welt plötzlich verwandelte.

 
4
     
    Das Erwachen war von der Art, wie man es vielleicht am Tag des Jüngsten Gerichts erwartet, als Strafe für ein verkorkstes Leben im massenmörderischen Stil eines Adolf Hitler oder Slobodan Milosevic: ein Fegefeuer aus Schmerz, Übelkeit und hoffnungslos verspäteter Reue – und doch nur ein Vorgeschmack auf weitaus häßlichere Dinge. Dabei waren es nicht so sehr die teuflischen Kopfschmerzen, die in Markesch den Wunsch erweckten, so tot zu sein, wie Sophie immer behauptete, obwohl das Tekkno-Dröhnen in seinem Schädel jeden Preßlufthammer auf wohlverdientes Mittelmaß zusammenschrumpfen ließ. Auch die elende, gallige Übelkeit ließ sich gerade noch ertragen, trotz des Gefühls, einen Weltrekord im Cheeseburger-Wettessen aufgestellt zu haben.
    Wirklich unerträglich war die niederschmetternde, durch keinerlei Trost gemilderte Erkenntnis, daß er sich wie ein Amateur hatte aufs Kreuz legen lassen.
    K.O.-Tropfen, dachte er deprimiert. Diese verlogene kleine Nutte! Wie kann man einen guten Scotch nur so mißbrauchen!
    Er wartete noch eine Weile, bevor er die Augen öffnete, zutiefst überzeugt, daß ihm nicht gefallen würde, was die Welt zu bieten hatte, und als er schließlich doch die bleischweren Lieder hob, sah er seine Befürchtung auf grausige Weise bestätigt. Die Umgebung als solche war schon unerfreulich genug. Eine offenbar schon vor Jahrhunderten aufgegebene Lagerhalle mit hohen, schmutzig grauen Wänden und schmalen, schmutzig grauen Fenstern, die skrupellosen Steinewerfern als Zielscheibe gedient haben mußten. Durch das gesplitterte Glas fiel klares, völlig unpassendes Sonnenlicht auf einen staubigen, von allerlei Unrat bedeckten Betonboden, den Markesch allerdings nur aus den Augenwinkeln erkennen konnte, denn er lag an Armen und Beinen gefesselt auf einer ausrangierten Werkbank und kam sich wie ein Käfer vor, der einem wahnsinnigen Entomologen in die Hände gefallen war.
    Vielleicht war er das tatsächlich.
    Denn er blickte schräg von unten in etwas Grobschlächtiges, Triefäugiges, mehr eine mißglückte kubistische Skizze als ein menschliches Gesicht, von Gefühlen verzerrt, wie man sie sonst nur bei den männlichen Fans von Damenschlammringkämpfen fand: Lust und Grausamkeit, gepaart mit der unschuldigen Begeisterung eines kleinen Jungen, der im 30. Stock des Uni-Centers seinem Hamster das Fallschirmspringen beibringen will. Ein speckig verfilzter Rastafari-Haarschopf schrie geradezu nach der Zweckentfremdung als Mop, aber ein aufgeblähter Schwarzenegger-Brustkorb und Gliedmaßen wie Brückenpfeiler, die einen durchgeschwitzten Nike-Jogginganzug zum Zerreißen spannten, machten es eher unwahrscheinlich, daß irgend jemand diesen Schrei erhörte.
    In der Hand hielt der Rastamann eine akkubetriebene Bohrmaschine.
    »Egal, was man mir vorwirft«, sagte Markesch heiser, »ich habe es nicht getan!«
    Der Rastamann grinste ihn ohne eine Spur von Herzlichkeit an, ließ die Bohrmaschine aufheulen und zielte auf sein linkes Auge.
    »He, Schäff«, brüllte er über die Schulter. »Dä Schwadlappen dät sich rühre! Soll ich ihm de Luff us em Jeheens losse?«
    »Okay«, sagte Markesch in dem von vornherein aussichtslosen Versuch, die Situation unter Kontrolle zu bringen. »Okay, ich habe es mir anders überlegt. Sagen Sie dem Chefarzt, daß ich auf die Operation verzichte. Es gibt schlimmere Dinge als ein Tumor, der

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