Eine Koelner Karriere
bis zum Rand und schlurfte ins Bad. Ein kurzer Blick in den Spiegel genügte, um ihn das Glas in einem Zug leeren zu lassen.
Sein breitflächiges, zerknittertes Gesicht mit den wasserblauen Augen unter dem krausen blonden Haarschopf hatte ihm ohnehin noch nie gefallen, aber jetzt ließ es sich höchstens noch als Karnevalsmaske tragen. Zwar war seine Nase nicht auf die befürchtete Monstergröße angeschwollen, doch immer noch groß genug, damit er als Cyrano de Bergerac des 20. Jahrhunderts Karriere machen konnte. Eine dünne Kruste aus getrocknetem Blut erweckte den Eindruck, als hätte er seine Nase in Dinge gesteckt, die ihn nichts angingen, und als er vorsichtig den Schorf abwusch, schillerte sie in einer kranken Mischung aus Giftgrün und Blauviolett, die ihm noch viel weniger Freude bereitete. Er kühlte sie eine Weile mit kaltem fließendem Wasser, wartete auf die Wirkung der Aspirin und brütete währenddessen ein Dutzend besonders widerwärtiger Todesarten aus.
Blackie, Trucker und Denise wußten es nicht, aber sie hatten den Fehler gemacht, einen Mann zu peinigen, der schon seit Jahren für eine Renaissance der alttestamentarischen Rachsucht eintrat.
»Gott verzeiht, Markesch nie«, knirschte er und kam sich für einen Moment wie ein alter, klappriger Italo-Westernheld vor, der nach zwanzig Jahren friedlichen Rentnerdaseins noch einmal Colt, Patronengurt und Suspensorium aus dem Schrank holte, um Tombstone City von den Bösen und Guten gleichermaßen zu befreien.
Und, bei Gott, er würde es tun!
Aber mit System.
Zunächst mußte er dafür sorgen, daß Trucker und der irre Dr. Bohrmann zu beschäftigt waren, um weiter nach Astrid Pankrath zu suchen. Schwer vorstellbar, daß sich der Zuhälter darauf beschränkte, Koks zu schnupfen, tückisch dreinzublicken und im übrigen seine Ermittlungen abzuwarten. Fraglos würde er selbst herumschnüffeln, und so, wie sich Trucker aufgeführt hatte, war ihm ohne weiteres zuzutrauen, daß er seiner untreuen Freundin den Hals umdrehte, wenn sie ihm in die pfannengroßen Hände fiel. Oder er stieg selbst ins Erpressergeschäft ein, wenn er herausfand, daß nicht der mysteriöse Hugo von Schlappensack, sondern der stadtbekannte Polit-Menschenfresser und Geldsack Walter Kress in die Fotofalle gegangen war.
Deutschmark waren stärker als jede Moral, und Truckers Gerede über garantierte Diskretion war in etwa so glaubwürdig wie die Wahlversprechen von Kress’ Bonner Kollegen.
Markesch grinste böse, ignorierte diesmal den schmerzensreichen Protest seiner Nase und griff nach dem Telefon. Wenn es eine Organisation gab, die darin geschult war, kriminellen Kreaturen wie Trucker das Leben zur Hölle zu machen, dann die Polizei. Und wenn es einen Polizisten gab, der dieses Gewerbe mit Genuß betrieb, dann Kriminalkommissar Enke, sein alter Feind und Spezi. Außerdem brauchte er weitere Informationen über Astrid Pankrath.
Er füllte sein Whiskyglas, wählte die Nummer des Polizeipräsidiums am Waidmarkt und ließ sich weiterverbinden.
»Enke, Mordkommission«, meldete sich eine frostig klingende Stimme. »Wer sind Sie, und was wollen Sie?«
»Ich habe da diese Leichen im Keller und wollte fragen, ob Sie nicht vorbeischauen und sie abholen könnten. Sie fangen schon an zu stinken, und die Nachbarn beschweren sich.«
Eine lange Pause folgte und endete in einem asthmatischen Schnaufer.
»Markesch!« sagte Enke dann noch frostiger. »Wie oft habe ich dich in meinen Träumen tot gesehen, und jetzt diese ungeheuerliche Enttäuschung … Ich schätze, du rufst mich nicht an, um mir zu sagen, daß du noch heute nach Feuerland auswandern wirst, oder?«
»Nie im Leben – solange es noch einen Schurken in dieser Stadt gibt, ist an Auswanderung nicht zu denken. Ich rufe an, weil ich Hilfe brauche.«
Enke lachte kalt. »Wenn du Hilfe brauchst, dann bete. Ich bin schließlich nicht die Mutter Theresa der Privatschnüffler.«
»Aber es ist wirklich dringend«, beharrte Markesch in einem winselnden Tonfall, der ihm dank seiner Schmerzen überzeugend gelang. »Das Schicksal einer begnadeten Krankenschwester steht auf dem Spiel! Vielleicht sogar das Schicksal des gesamten Gesundheitswesens!«
»Wieso? Hat sich deine Trunksucht jetzt zu einer ansteckenden Krankheit entwickelt und rafft halb Sülz dahin?« höhnte Enke. »Nichts da. Erstens darf ich dir keine Informationen geben, und zweitens würde ich es nicht einmal tun, wenn ich es dürfte. Ich habe dir schon mehr geholfen,
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