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Eine Koelner Karriere

Eine Koelner Karriere

Titel: Eine Koelner Karriere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Ziegler
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den rasenden Skatebikern abschrecken ließen, die auf den Bürgersteigen Kamikaze spielten.
    Er ignorierte das Entsetzen, das die rosigen Gesichter der Passanten beim Anblick seiner geschwollenen Nase entstellte, und stiefelte eilig zum Regenbogen. Das Schicksal war ihm gnädig: das Café war halb leer, sein Stammtisch am Tresen unbesetzt, und die meisten Gäste waren selbst so häßlich, daß er sogar als Nasenbär jede Schönheitskonkurrenz gewinnen konnte. Archimedes stand mit einem Tablett voller Longdrinks am Nierentisch in der Ecke, wo sich regelmäßig der Weightwatchers Club von Sülz traf, ein halbes Dutzend schwergewichtiger Frauen im weit fortgeschrittenen Alter, die seit dreißig Jahren auf ihre Märchenprinzen warteten und sich die Zwischenzeit mit dem Quälen von Fröschen vertrieben.
    Als der Grieche Markeschs monströse, grünviolett schillernde Nase sah, riß er die Augen auf, servierte hastig die Drinks und folgte ihm zum Tresen.
    »Tolle Pappnase«, meinte er bewundernd. »Eine Schande, daß Karneval schon seit Monaten vorbei ist.«
    Markesch angelte seine private Scotchflasche und ein Glas vom Regal. »Noch so eine Bemerkung, und ich verklage meinen Schönheitschirurgen.«
    »Ston diabolo, was ist passiert?«
    »Das erfährst du, wenn ich alt und grau im Schaukelstuhl sitze und von den Abenteuern meiner Jugend fantasiere.« Er stärkte sich mit einem Schluck Whisky, zögerte und stellte dann die Flasche ins Regal zurück. Er mußte einen klaren Kopf bewahren. Oder zumindest so klar, wie es die Umstände erlaubten. »Hast du etwas über die Pankrath herausgefunden?«
    Der Grieche schüttelte den Kopf. »Nicht mehr, als du ohnehin schon weißt.«
    Nun, das war fast zu erwarten gewesen. Trotzdem war er enttäuscht.
    »Allerdings habe ich einiges über ihre Familie in Erfahrung gebracht«, fügte Archimedes hinzu. »Sie hat einen Bruder, Wolfgang, der in der Südstadt eine Kfz-Werkstatt betreibt. Nichts Großes – eine Hinterhofklitsche, die nicht mal angemeldet ist; wahrscheinlich, um Steuern zu sparen. Der Bursche hat außerdem ein Vorstrafenregister, das so lang ist wie deine Schuldenliste bei mir: Hehlerei, Autoschieberei, Scheckbetrug, Versicherungsbetrug, Handel mit gefälschten TÜV-Plaketten – alles, was viel Geld bringt und wenig Mühe macht. Ein anderer Bruder, Rolf, sitzt zur Zeit wegen Körperverletzung im Knast. Der Vater, Otto, ist ebenfalls vorbestraft, allerdings nur wegen permanenter Ruhestörung und Zechprellerei; er ist Alkoholiker.«
    »Eine reizende Familie«, brummte Markesch. »Kein Wunder, daß niemand mehr heiraten will.«
    »Was hast du jetzt vor?«
    Markesch leerte das Whiskyglas und stellte es auf den Tresen. »Ich hab’ schon seit Jahren Probleme mit dem Wagen«, sagte er gedehnt, »und ich schätze, Bruder Wolfgang ist genau der richtige Mann, um meinen Ford wieder in Schuß zu bringen.«
    »Tatsächlich?« Archimedes sah ihn zweifelnd an. »Und ich dachte immer, der einzige, der deinem verrosteten Ford noch helfen kann, wäre der nächste Schrotthändler.«
    Er grinste. »Das meinte der Mann vom TÜV auch. Aber warum ein treues Auto verschrotten, wenn es in der Südstadt die praktischen Plaketten für ein paar Scheine zu kaufen gibt?«
    Er winkte Archimedes zu, verließ das Café und blinzelte ins Silberlicht des Vollmonds, der wie ein kaltes, allessehendes Auge am wolkenlosen Himmel hing. Frischer Wind kam auf und kühlte seine brennende Nase, und plötzlich, gegen seinen Willen, spürte er eine tiefe, erschreckende Harmonie, als wäre er eins mit sich und der Welt, als hätte er nach all den Jahrzehnten der Zerrissenheit endlich seinen inneren Frieden gefunden.
    Dann brauste ein Laster vorbei und nebelte ihn mit Dieselabgasen ein, und alles war wieder so wie immer.
    Unerfreulich.
    Aber wenigstens erträglich.

 
6
     
    Auf dem Weg zur Südstadt wurde Markesch durch rebellisches Flaschenklirren im Kofferraum daran erinnert, daß es höchste Zeit wurde, seine Scotchvorräte aufzufüllen. Er hielt vor einem Kiosk, kaufte als vorbeugende Maßnahme gleich zwei Johnny Walker und verstaute sie nach einem stabilisierenden Schluck im Handschuhfach. Dann wuchtete er den Karton mit dem Leergut aus dem Kofferraum und entsorgte Johnny & Co. in einem nahen Altglascontainer, der bis zum Rand mit Schnapsbuddeln gefüllt war, als wäre die vielgerühmte rheinische Fröhlichkeit nur auf die permanente Überschreitung der Promillegrenze zurückzuführen.
    Kaum hatte er sich wieder

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