Eine Koelner Karriere
aber nur aus einem halben Dutzend Hinterhofwohnungen ein verwirrendes Potpourri aus Radiomusik, Ehekrächen und Fernsehdialogen, eine Collage der überflüssigen Töne, wie sie nicht einmal ein experimenteller Komponist vom Schlage eines John Cage hätte ersinnen können. Er überwand mit einigen gewagten Sprüngen das Mosaik der Ölpfützen und pirschte an den Ersatzteilstapeln und Reifenbergen vorbei zum halb offenstehenden Garagentor. Vorsichtig spähte er ins grelle Neonlicht. Der Betonboden war von einem zentimeterdicken Schmierfilm und surrealer Zufallskunst bedeckt, kühn verwinkelte Gebilde aus Werkzeugen, Getriebeteilen und leeren Bierdosen, die einen halbkreisförmigen Wall um eine Montagegrube bildeten. Die Grube selbst war im Moment größtenteils unter einem anthrazitfarbenen Porsche 911 verschwunden, wie er ihn bisher nur in seinen unerfüllten Träumen gesehen hatte, und in einer Ecke diente ein Verschlag aus Wellblech und ausrangierten Ikea-Regalen als improvisiertes Büro. Ein Vorhang aus bunten Perlenschnüren versperrte den Blick ins Innere.
Aus dem Büroverschlag drangen Stimmen.
Die eine laut und heiser, die andere leise und verführerisch gurrend; Wolfgang Pankrath vermutlich und Denise.
Gebückt schlich er am Porsche vorbei zum Verschlag und fragte sich gerade beiläufig, welcher Irre diese Luxuskarosse wohl einem Kfz-Chaoten wie Wolfgang Pankrath anvertraut haben mochte, als er mit dem linken Fuß in einen aufgeklappten Werkzeugkasten tappte.
Der Kasten schnappte wie eine Bärenfalle zu.
Scharfe Metallkanten schnitten tief in seinen Knöchel.
Der Schmerz war fast zu stark, um ihn stumm zu ertragen. Röchelnd ging er in die Knie, was die Metallkanten nur noch tiefer in sein Fleisch trieb, und rüttelte am Scherenscharnier des Kastens, aber es hatte sich verklemmt und gab nicht nach. Er steckte fest. Großartig. Genau das hatte ihm noch gefehlt. In ohnmächtiger Wut starrte er das Blut an, das durch die Socke quoll und dickflüssig in seinen Schuh tropfte.
Der Wortwechsel im Verschlag wurde lauter.
»… stellt er sich das vor?« drang die heisere Männerstimme wütend durch das Wellblech. »Ein Pfund auf Kommission bekommen und noch keine müde Mark gezahlt, aber für die nächste Lieferung gleich ’nen Discountpreis verlangen. Soll der Affenarsch doch woanders kaufen. Ich bin doch nicht der spendable Willy vom Sozialamt!«
Denise antwortete mit einer Serie verführerisch gegurrter Worte, die in der Lärmcollage aus den Hinterhofwohnungen untergingen, aber was immer sie auch gesagt haben mochte, der Klang ihrer Stimme verfehlte seine Wirkung auf Wolfgang Pankraths Hormone nicht.
»… Okay, okay, aber mehr als zehn Prozent Rabatt ist nicht drin – und das auch nur, weil du’s bist. Sonst hätte ich mich sowieso nicht auf das Geschäft eingelassen … Ja, ich weiß, ich schulde dir was, aber immerhin trag’ ich das ganze Risiko. Wer garantiert mir, daß Trucker mich nicht hängen läßt? Fünfzigtausend sind schließlich keine Peanuts …«
Denise sagte etwas in bewährter Verführungsmanier und erntete ein heiseres, freudloses Lachen.
»Sag’ das mal meinen Lieferanten. Wenn die ihre Kohle nicht pünktlich bekommen, schicken die sofort ein Rollkommando vorbei. Vielleicht kannst du mich mit deinen hübschen Titten beeindrucken, aber diese Typen wollen Cash sehen …«
Markesch fluchte lautlos. Er brauchte nur wenig Fantasie, um aus den Gesprächsfetzen herauszuhören, daß Wolfgang Pankrath offenbar Truckers Kokslieferant war. Und er brauchte noch weniger Fantasie, um sich vorzustellen, was Wolfgang Pankrath mit ihm machen würde, wenn er ihn beim Lauschen ertappte. Schwitzend rüttelte er am Kasten und drehte langsam den Fuß, aber das einzige Ergebnis waren noch mehr Schmerz und noch mehr Blut.
»… in Zukunft nur noch gegen Vorkasse … Ist mir doch egal, was Trucker dazu meint … Ich muß meine Unkosten decken und … Ach ja? Ach ja?! Das ist stark! Das ist wirklich stark! Noch so ’ne Bemerkung und ich …«
Markesch entdeckte hinter dem linken Vorderrad des Porsche einen angerosteten Schraubenschlüssel, angelte ihn mit spitzen Fingern, schob ihn in das Scharnier und setzte ihn als Hebel ein. Nichts. Er verstärkte den Druck, und endlich gab das Scharnier knirschend nach. Widerwillig, nur millimeterweise, aber immerhin bewegte es sich.
»… sag’ ihm das«, brüllte Pankrath. »Entweder zu meinen Bedingungen oder gar nicht! Kapiert! Ob du das kapierst hast
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