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Eine Krone für Alexander (German Edition)

Eine Krone für Alexander (German Edition)

Titel: Eine Krone für Alexander (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elfriede Fuchs
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Verkehr mit Verwaltungsbeamten,
Hofleuten, Großgrundbesitzern, Offizieren, Priestern und anderen wichtigen
Leuten. Aus den abgelegensten Ecken des Landes kamen Menschen nach Pella, um
ihre Sache dem König oder, da dieser in Thrakien weilte, dem Regenten
vorzulegen. Natürlich hatte Alexander gewusst, dass der König auch der oberste
Richter im Lande war. Dennoch war er erstaunt, wie viel Zeit sein Vater, sonst
in den Höhen der Weltpolitik zu Hause, darauf verwendete, sich in eigener
Person mit Familienstreitigkeiten, Viehraub oder strittigem Landbesitz auseinanderzusetzen.
    „Diese Angelegenheiten sind nicht so banal, wie du
vielleicht annimmst“, meinte Antipatros dazu. „Wenn abgerissene Hochlandbewohner
sich um ein paar gestohlene Kühe oder einen halb verdorrten Acker streiten,
dann ist das aus deiner Sicht vielleicht eine Bagatelle, aber für diese Leute
ist es lebenswichtig. Wenn man nichts unternimmt, fallen die Streithähne
übereinander her, und es bricht eine Fehde aus, die sich womöglich über Generationen
hinzieht, mit Blutrache und allem Drum und Dran. Das will der König natürlich
vermeiden. Außerdem betrachtet er es als Zeichen seiner Autorität, wenn sich
die Leute bei ihren Streitigkeiten an ihn wenden, statt die Sache selbst in die
Hand zu nehmen. Ich erinnere mich, dass einmal eine alte Frau zu ihm kam, kurz
nachdem er König geworden war, eine scharfzüngige alte Schabracke, du kennst ja
den Typ.“
    Die Beschreibung erinnerte Alexander lebhaft an seine
Großmutter. Wahrscheinlich wimmelte es in Makedonien von resoluten alten Damen
wie ihr.
    Antipatros dachte nach und
kratzte sich auf seiner Glatze. „Es ging um irgendeine banale Sache, ich habe
vergessen, was es war. Jedenfalls meinte der König, er habe keine Zeit, sich
darum zu kümmern. Da sagte die alte Dame doch tatsächlich zu ihm: Dann hör auf, König zu sein! Also setzte sich Philipp
wieder hin und hörte sich geduldig an, was sie zu sagen hatte.“
    Die Dienerin wartete spät abends vor seiner Tür. Sie bestand
darauf, ihn zu ihrer Herrin führen, wollte aber nicht verraten, wer sie war. Da
die Frau harmlos wirkte, ließ er sich breitschlagen und ging er mit ihr. Sie
führte ihn in den Wirtschaftsbereich des Palastes, und er begann sich bereits
zu fragen, ob er vielleicht gerade in eine heimtückische Falle tappte. Er wäre
nicht der erste Thronerbe, überlegte er, der unter mysteriösen Umständen ums
Leben kam, und verfluchte seine Gutmütigkeit.
    Die Waschküche, in die die Dienerin ihn schließlich führte,
war um diese Zeit menschenleer, abgesehen von der verschleierten Frau, die auf
einer niedrigen Lehmbank an der Wand saß. Ein Blick auf die kleinen Füße in den
verzierten Sandalen bewies ihm, dass es sich wirklich um eine Frau handelte und
nicht um einen verkleideten Attentäter. Er atmete auf. Die Situation wirkte nun
nicht mehr bedrohlich, er ärgerte sich vielmehr über seinen Verfolgungswahn.
Die Frau erhob sich und schlug ihren Schleier zurück.
    Alexander hatte Philinna seit Jahren nicht mehr gesehen, außer
bei Hochzeiten und Festen. Als er noch ein Kind gewesen war, hatte sie manchmal
mit ihm geschimpft, wenn sie glaubte, er habe ihrem Sohn etwas zuleide getan.
Tatsächlich hatte er sie seither fast vergessen, ebenso wie ihren Sohn.
Arrhidaios lebte irgendwo im Palast, die meiste Zeit den Augen der
Öffentlichkeit entzogen, und trat nur selten bei offiziellen Anlässen in Erscheinung.
    „Danke, dass du gekommen bist“, sagte Philinna.
    Alexander wunderte sich, wie alt sie geworden war. Ihre Augen
waren von einem Netz feiner Fältchen umgeben, und zwei tiefere Falten zogen
sich von der Nase zu den Mundwinkeln. Ihre braunen Haare waren an den Schläfen
mit grauen Fäden durchzogen. Obwohl sie noch immer eine gut aussehende Frau
war, wirkte sie verhärmt und verbraucht, wahrscheinlich wegen der jahrelangen
Sorge um ihren Sohn. Olympias, fiel ihm ein, sah manchmal ebenso so verhärmt
aus, und das aus ähnlichen Gründen.
    „Warum hast du mich nicht einfach in deine Gemächer gebeten?
Wozu die Heimlichtuerei?“ Er bemühte sich, nicht schroff zu klingen, aber ganz
hatte er seinen Argwohn noch nicht abgelegt.
    „Ich möchte nicht, dass jemand von unserer Unterredung erfährt.
Du weißt ja, dass die Wände im Palast Ohren haben.“
    Fast hätte er über die melodramatische Ausdrucksweise gelacht,
doch er wusste, dass Philinna recht hatte. Immerhin hatte der König selbst sich
vor Jahren einmal ganz ähnlich

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