Eine Krone für Alexander (German Edition)
Die Lage ist günstig,
oberhalb der Hochwassergrenze, aber nicht weit vom Fluss, über den die Stadt
mit allem versorgt werden kann. Das Land hier ist gut und wird Kolonisten
anziehen. Eine Weltstadt wird wohl nicht daraus werden, aber in ein paar Jahren
wird sich hier ein lokales Zentrum entwickeln. Die Maider öffnen sich den
Segnungen der modernen Zivilisation, und wir haben keinen Ärger mehr mit
ihnen.“
„Die Segnungen der modernen
Zivilisation!“, spottete Kleitos. „Wie schaffst du es nur, dich immer so
gewählt auszudrücken? Wahrscheinlich macht das der Unterricht bei Aristoteles.
Da kann man sehen, wozu Bildung gut ist. Wie soll deine Stadt übrigens heißen?“
„Alexandropolis.“
18
Als Alexander mit seinen Truppen nach Pella zurückkehrte,
stand bereits der Herbst vor der Tür, und interessante Neuigkeiten aus Thrakien
erwarteten ihn. Da Philipps Beschwerdebrief, wie nicht anders zu erwarten, in
Athen auf taube Ohren gestoßen war, hatte er zu drastischeren Mitteln gegriffen
und kurzerhand die athenische Getreideflotte kapern lassen, als sie versuchte,
vom Pontos aus in den Bosporos einzufahren. Damit war er den Athenern
empfindlich auf den Schwanz getreten, denn die dicht bevölkerte Stadt war auf
regelmäßige Getreidelieferungen aus dem Norden angewiesen. Wenn der Nachschub
ausblieb, kochte sofort der Volkszorn hoch. Demosthenes hatte daher leichtes
Spiel, ihn noch weiter zu schüren, bis die erbosten Massen zu der Stele mit dem
Friedensvertrag stürmten und sie umstürzten, sodass sie in tausend Stücke
zersprang. Das war das Ende des Friedensvertrages, der vor sechs Jahren unter
so großen Erwartungen geschlossen worden war.
Philipps Warnschuss war nach hinten losgegangen wie bei einem
fehlerhaften Katapult. Vielleicht aber auch nicht, dachte Alexander, denn nicht
einmal er war sich sicher, die komplizierten Gedankengänge seines Vaters immer
durchschauen zu können. Vielleicht, überlegte er, hatten die Athener letztlich
genau das getan, was Philipp gewollt hatte. Jedenfalls war der Krieg, auf den
Demosthenes seit Jahren so beharrlich hingearbeitet hatte, nun endlich da, und
es war nur eine Frage der Zeit, bis ein starkes athenisches Flottengeschwader
an den Meerengen aufkreuzen würde. Philipp beschloss, in Thrakien sein
Winterlager aufzuschlagen und die Belagerungen von Perinthos und Byzantion aufrechtzuerhalten.
Dies bedeutete, dass er auf absehbare Zeit nicht nach Pella zurückkehren würde.
Alexander, der bereits einen langen Bericht an seinen Vater verfasst hatte, in
dem er seinen Sieg über die Maider in allen Einzelheiten schilderte, kümmerte
sich inzwischen mit Feuereifer darum, Kolonisten für Alexandropolis anzuwerben
und den Aufbau der Stadt zu organisieren.
Während seiner Abwesenheit hatte Kynnana bekannt gegeben,
dass sie schwanger war, und er besuchte sie, um ihr Glück zu wünschen. Sie
hatte es sich im Garten gemütlich gemacht und die Beine hochgelegt. Eine
Dienerin wedelte ihr mit einem Fächer kühle Luft zu, eine andere massierte ihr
die geschwollenen Füße, kurz, Kynnana ließ sich nach allen Regeln der Kunst verhätscheln.
Trotzdem schien sie schlechter Laune zu sein, denn sie begrüßte Alexander mit
ätzendem Spott.
„Da ist ja unser Kriegsheld! Hast du unseren Vater denn auch
schon über deine Heldentaten gebührend unterrichtet? Nett, dass du neben all
den hochwichtigen Aufgaben als Regent tatsächlich noch Zeit findest, nach
deiner schwangeren Schwester zu sehen.“ Neben ihr stand ein Teller mit Essbarem
– Oliven, Feigen, gefüllte Weinblätter, alles triefend von Öl, und während sie
zeterte, bediente sie sich in einem fort.
„Warum bist du so wütend?“, fragte er, als er sich setzte.
„Freust du dich nicht auf dein Kind?“
„Was denkst du denn?“, fauchte sie. „Während du lauter
spannende Dinge machen darfst, sitze ich hier fest und langweile mich zu Tode.
Mein Waffentraining habe ich aufgeben müssen. Ich komme mir vor wie ein Fass
auf Beinen.“
Ihre Schwangerschaft war bereits deutlich zu erkennen, auch
wenn die Bezeichnung „Fass auf Beinen“ noch ziemlich übertrieben war. „So
schlimm sieht es gar nicht aus“, versicherte er daher tröstend.
„Im Moment vielleicht noch nicht“, erwiderte Kynnana mit
vollem Mund. „Aber wenn die neun Monate um sind, werde ich tatsächlich wie eine
Tonne aussehen! Hast du eine Ahnung, wie es ist, wenn man sich beim Schlafen nicht
auf den Bauch drehen kann? Und die erste Zeit habe ich mich
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