Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Eine Krone für Alexander (German Edition)

Eine Krone für Alexander (German Edition)

Titel: Eine Krone für Alexander (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elfriede Fuchs
Vom Netzwerk:
praktisch ohne Unterbrechung und erzählten einander alles, was sie
den Sommer über erlebt hatten, Alexander als Regent und Hephaistion bei der
Armee. Nach und nach wurden sie ruhiger, während ihre Blicke über die Ebene bis
hinunter zur Stadt schweiften. In der Ferne schimmerte das Wasser des Sees.
Alexander wühlte in seinem Gepäck und beförderte eine Schriftrolle ans Licht.
    Hephaistion legte sich zurück ins Gras, stützte den Kopf auf
die Hand und sah lächelnd zu ihm auf. „Schon wieder ein neues Buch?“
    „Ich habe es in Archelaos’ Bibliothek gefunden. Es ist von
Platon und trägt den Titel Symposion . Den ganzen
Sommer über habe ich es kaum erwarten können, es dir zu zeigen.“
    Vorsichtig nahm er die Rolle aus dem Futteral und wickelte
sie auf, bis er die Stelle gefunden hatte, die er suchte. „In dem Buch geht es
um die Liebe. Ursprünglich, heißt es darin, gab es bei den Menschen nicht nur
zwei Geschlechter, sondern drei: ein männliches, ein weibliches und eines, das
je zur Hälfte männlich und weiblich war. Damals waren die Menschen kugelförmig
und hatten vier Arme, vier Beine und zwei Gesichter.“
    Hephaistion lachte amüsiert. „Ich stelle mir gerade vor, wie
sie durch die Gegend kullerten!“
    Alexander musste bei der Vorstellung ebenfalls lachen. „In
dem Buch heißt es tatsächlich, dass sie sich rollend fortbewegten. Dadurch
waren sie schneller als die Menschen heute, aber sie waren außerdem auch
stärker und klüger. Deshalb bekamen die Götter es mit der Angst zu tun, und
Zeus beschloss, die Kugelmenschen in der Mitte durchzuschneiden, wie Äpfel.“
    „So kommt es also, dass wir nur zwei Arme haben, zwei Beine
und nur ein Gesicht.“
    „Und jetzt kommt das Wichtige.“ Alexander hob seine
Schriftrolle und begann vorzulesen: „Nachdem ihre Gestalt
entzweigeschnitten worden war, sehnte sich jeder Teil nach seiner verlorenen
Hälfte. Sie kamen zusammen, umarmten sich und schlangen sich ineinander, und
vor Sehnsucht, wieder zusammenzuwachsen, starben sie vor Hunger und Untätigkeit.
Denn sie wollten nichts getrennt voneinander tun. Und wenn eine der Hälften
gestorben war, suchte sich die übrig gebliebene eine andere und verflocht sich
mit ihr.“ Er ließ die Rolle sinken und löste den Blick davon.
„Diejenigen, die vorher männlich gewesen waren, suchten sich eine andere
männliche Hälfte, die weiblichen eine weibliche und die, die sowohl männlich
als auch weiblich gewesen waren, eine des jeweils anderen Geschlechts. Und das
ist der Ursprung der Liebe.“ Er machte eine Pause und sah zu Hephaistion hinab.
„Manchmal aber kommt es vor, dass jemand seine wahre andere Hälfte
wiederfindet, die, mit der er ursprünglich verbunden war. Dann
fallen sie in wunderbare Verzückung vor Liebe, Nähe und Leidenschaft und wollen
sich nicht voneinander trennen, nicht einmal für kurze Zeit. Und sie bleiben vereint
für ihr Leben . “
    „Was für ein schöner Mythos!“ Hephaistion hatte sich aufgesetzt.
    Alexander legte die Rolle zur Seite und nahm Hephaistions
Hand. „So ist es auch bei uns. Du und ich, wir besitzen eine gemeinsame Seele,
wir sind eine Seele in zwei Körpern. Deshalb gehören wir zusammen für unser
ganzes Leben. Bis in den Tod. Und wenn es danach etwas geben sollte, auch
dann.“

19
    Schweren Herzens hatte Alexander den Ring an Antipatros
zurückgegeben. Doch in sein altes Leben als Königsjunge zurückzukehren, fiel
ihm nicht so schwer, wie er anfangs befürchtet hatte. Zu seiner Befriedigung
bemerkte er, dass er den Luxus und den Status, die er als Prinzregent genossen
hatte, zwar zu schätzen wusste, aber nicht darauf angewiesen war. So schlief
er, ohne eine Miene zu verziehen, wieder auf seiner harten Pritsche im
Schlafsaal, stand Schlange an der Essensausgabe, ertrug mit unerschütterlicher
Gelassenheit das schlechte Essen und wurde wie alle anderen zu den unvermeidlichen
Strafdiensten verdonnert. Seine Kameraden behandelten ihn wie immer, und er war
froh darüber. Der Unterricht bei Aristoteles faszinierte ihn nach wie vor, und
ansonsten füllte ihn das harte Training bei den Königsjungen voll und ganz aus.
    Im Winter erfuhren sie, dass Mentor in Asien gestorben war.
Aristoteles, Kallisthenes und Theophrastos nahmen die Nachricht mit völlig
unphilosophischer Genugtuung auf. Dass Hermeias’ Mörder sein Opfer nur zwei
Jahre überlebt hatte und die Früchte seines Verrats nicht lange hatte genießen
können, betrachteten sie als Beweis für die Existenz

Weitere Kostenlose Bücher