Eine Krone für Alexander (German Edition)
Großmutter, kurz bevor sie starb. Eurydika sagte ihm, wenn er
überleben wolle, müsse er alle hochfliegenden Hoffnungen begraben. Sie sagte
auch, dass du unbedingt König werden willst und dafür notfalls über Leichen
gehen würdest, und dass Amyntas dir nicht gewachsen sei. Wenn er sich und
später einmal seine Familie schützen wolle, dürfe er dir auf keinen Fall in die
Quere kommen.“
Kynnana und Audata sahen Alexander mit ausdruckslosen
Gesichtern an, die eine vom Bett aus, die andere auf ihrem Sessel sitzend, und
ihn beschlich ein unangenehmes Gefühl. Trauten die beiden ihm wirklich zu, dass
er Amyntas umbringen lassen würde, um König zu werden? Und nicht nur ihn,
sondern auch sie selbst und womöglich sogar die kleine Hadeia? Was seine Großmutter
betraf, so wurde ihm klar, dass sie keine allzu hohe Meinung von ihm gehabt
haben konnte.
Bissig sagte er: „Offenbar hat Eurydika vor ihrem Tod
großzügig Ratschläge unter ihren Enkelkindern verteilt. Merkwürdig, wo sie sich
sonst kaum um uns gekümmert hat.“
Kynnana zuckte die Achseln. „Wie auch immer, auf jeden Fall
hat Amyntas ihre Warnung beherzigt. Er träumt schon lange nicht mehr davon, den
Thron zurückzugewinnen.“
Er musterte sie, wie sie in ihrem Bett saß, steif und
angespannt, die Kissen im Rücken. Ihr Haar war am Morgen zu einer eleganten
Frisur aufgesteckt worden, die sich inzwischen im Zustand fortgeschrittener
Auflösung befand – einige blonde Strähnen fielen ihr unordentlich über die
Schultern. Kynnana sah weniger wie eine glückliche Mutter aus als wie ein
verwundeter Krieger nach der Schlacht; nur die blutbefleckten Verbände fehlten.
Mit einem Mal fiel ihm auf, wie ähnlich sie ihm war. Wäre sie als Junge geboren
worden, wäre sie sein gefährlichster Rivale gewesen, das wurde ihm plötzlich
klar. Er fragte sich, ob Eurydika auch ihr einen Ratschlag erteilt hatte, und
wenn ja, welchen.
„Was ist mit dir?“, fragte er. „Würde es dir nicht gefallen,
eines Tages Königin zu sein?“
Kynnana beugte sich vor, obwohl das mit ihrem immer noch angeschwollenen
Bauch vermutlich nicht einfach war. „Ich will offen zu dir sein:
Selbstverständlich würde es das!“ Sie warf Audata einen Blick zu. „Meiner
Mutter ebenso.“
Audata stand auf, ging hinüber zum Fenster und wandte ihnen
den Rücken zu. Als sie zu sprechen begann, bemühte sie sich, es korrekt und mit
möglichst wenig Akzent zu tun. „Seit ich vor zwanzig Jahren nach Pella kam, hat
man mich gedemütigt und verspottet, wo man nur konnte. Philipps andere Frauen sahen
auf mich herab, weil ich Illyrerin bin, weil ich mit Akzent spreche, weil ich
nicht zugelassen habe, dass meine Tochter im Palast vor sich hin kümmert wie
die anderen Frauen hier, die immer nur am Herd sitzen, Wolle spinnen und sich
langweilen. Wenn meine Tochter Königin werden würde, wäre das eine große
Genugtuung für mich.“
Sie brach ab, und Kynnana nahm den Faden auf. „Aber wir
wissen, dass solche Hoffnungen sinnlos sind. Vater will, dass ihm einmal ein
Sohn von ihm auf den Thron folgt – und das wirst du sein. In Amyntas sieht er
nur eine Notlösung, für den Fall, dass dir unerwartet etwas zustoßen sollte.
Das dürfte der Grund sein, warum er ihn am Leben gelassen hat.“
Vom Fenster her, immer noch mit dem Rücken zu ihnen, warf
Audata ein: „Du siehst, wir beurteilen die Lage realistisch.“
„Du weißt, wie sehr mir die Schwangerschaft zu schaffen gemacht
hat. Eine Geburt ist schmerzhaft. Einen Tag und die halbe Nacht lag ich in den
Wehen. Ich habe geblutet, nicht anders als ihr Männer auf dem Schlachtfeld, und
die Hebammen standen die ganze Zeit mit besorgten Gesichtern herum, als dächten
sie, ich überlebe es nicht. Das alles habe ich nicht auf mich genommen, damit
mein Kind als vaterlose Waise aufwächst. Ich garantiere dir: Ich werde nichts
tun oder auch nur dulden, was meine Tochter in Gefahr bringen könnte!“
Kynnana lehnte sich wieder in ihre Kissen zurück. Schweigen
breitete sich im Raum aus.
„Ich verstehe“, sagte Alexander schließlich. „Solange
Amyntas keine Gefahr für mich ist, bin ich auch keine für ihn. Schon gar nicht
für euch selbst, falls ihr das annehmen solltet, oder für das Baby. Ich bin
kein Ungeheuer, egal, was Eurydika gesagt hat.“ Er stand auf und stellte den
Stuhl zurück. Beiläufig fragte er seine Schwester: „Hast du in letzter Zeit
etwas von Barsine gehört?“
Kynnana, die stumm vor sich hin gestarrt hatte, sah
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