Eine Krone für Alexander (German Edition)
Verbündeten, zurückzugeben. Und die Spartaner werden kuschen. Sie wissen,
dass ihnen nichts anderes übrig bleibt, und Agis weiß es auch, egal wie voll er
den Mund vorhin genommen hat. Wenn wir mit ihnen fertig sind, wird Sparta
tatsächlich nur noch ein Dorf am Eurotas sein.“
„Trotzdem ärgert mich ihre Unverschämtheit.“
„Hast du schon mal gesehen, wie ein kleiner Hund einen
großen anbellt?“
Alexander verstand. „Du meinst, wir sind der große Hund und
die Spartaner der aufdringliche kleine Kläffer?“
„Genau. Lass sie sich doch aufspielen! Wozu es auf einen
Krieg mit ihnen ankommen lassen? Natürlich würden wir gewinnen …“
„Natürlich!“
„… aber es würde auf die Griechen keinen guten Eindruck
machen, wenn der große Hund den kleinen Kläffer im Nacken packt und hin und her
schüttelt. Außerdem lohnt es die Mühe nicht. Die Spartaner sind inzwischen ein
ziemlich altersschwacher Hund. Lassen wir sie in ihrem eigenen Saft schmoren.
Also hör auf, dich zu ärgern, und schau dir lieber das hier an.“
Philipp winkte Alexander in den hinteren Teil des Zeltes.
Auf einem Tisch stand dort das Modell eines kleinen Rundtempels, mit einem Ring
ionischer Säulen. Das Modell bestand aus Holz und Gips und war bemalt wie ein
richtiger Tempel.
„Was ist das?“, fragte Alexander neugierig.
„Klapp die Vorderseite auf!“
Alexander tat, was sein Vater gesagt hatte, und schaute in
den Miniaturtempel hinein. Er enthielt drei kleine Figürchen. Philipp holte
eines davon heraus und reichte es Alexander. „Das bist du.“
Alexander betrachtete die Statuette. Sie bestand aus
Elfenbein und war teilweise vergoldet. Sie sah ihm nicht sonderlich ähnlich,
wenn man davon absah, dass es sich um einen jungen Mann ohne Bart und mit
goldener Lockenpracht handelte.
Philipp nahm eine weitere Figur heraus. „Das hier bin ich,
und das ist mein Vater Amyntas.“ Er stellte den kleinen Elfenbein-Philipp auf
den Tisch und gab Alexander die Statuette, die seinen Großvater darstellte.
Alexander starrte abwechselnd auf die kleinen Statuen. „Was
hat das zu bedeuten?“
Philipp nahm ihm die Statuetten wieder ab und gruppierte
alle drei auf dem Tisch, sein eigenes Ebenbild in der Mitte. „Ich werde einen
Rundtempel bauen lassen, einen wie dieses Modell hier, und im Inneren werden
lebensgroße Statuen aus Gold und Elfenbein von uns dreien stehen. Der berühmte
Bildhauer Leochares wird sie anfertigen. Das Philippeion wird den Griechen
Größe und Glanz unserer Dynastie vor Augen führen.“
„Und wo soll es stehen?“
„In Olympia.“
Zeus saß hoch aufgerichtet auf seinem Thron.
Als Erstes hatte Philipp dem Olympischen Zeus ein großzügiges
Brandopfer dargebracht, auf jenem berühmten Altar, der einst von seinem Vorfahren
Herakles in Olympia errichtet worden war und dessen Untergrund im Lauf der
Jahrhunderte durch die Asche der geopferten Tiere zu einem ansehnlichen Hügel
angewachsen war. Danach besichtigten sie den Zeus-Tempel mit dem weltberühmten
Kultbild, das der Bildhauer Pheidias aus Gold und Elfenbein geschaffen hatte.
In ihrer Gewaltigkeit schien die Statue alle Proportionen zu
sprengen. Der Gott saß auf einem Thron aus Marmor und Edelsteinen, seine Füße
ruhen auf einem Schemel, der von goldenen Löwen getragen wurde. Auf seiner
ausgestreckten Rechten stand eine geflügelte Siegesgöttin, in der Linken hielt
er ein Zepter, dessen Spitze von einem Adler gekrönt wurde. Zeus’ Gesicht war
von Ehrfurcht gebietender Erhabenheit. Dies war wirklich der Vater der Götter
und Menschen, der Blitzeschleuderer, der Weithindonnernde.
Der König der Makedonen und sein Erbe wurden nur von einer bescheidenen
Eskorte begleitet, denn Olympia war heiliger Boden und durfte von Bewaffneten nicht
betreten werden, geschweige denn von ganzen Armeen. Daher waren die Pezhetairen
auch nur mit kurzen Dolchen bewaffnet – denn Schwerter oder gar Speere konnte
man schlecht versteckt unter der Kleidung tragen.
Leochares, der die Statuen für das Philippeion schaffen
sollte, hatte sich mit seinen Schülern und Gehilfen in der ehemaligen Werkstatt
des Pheidias eingerichtet. Im Hof stand Alexander dem Bildhauer Modell. „Nicht
bewegen!“, mahnte der Künstler streng, während er von seiner Arbeit für das
Grabmal des karischen Herrschers Mausollos erzählte. Leochares hatten einen
Teil des Skulpturenschmucks geschaffen. Seiner Beschreibung nach musste es sich
bei dem Bauwerk um ein wahres Weltwunder
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