Eine Krone für Alexander (German Edition)
Richtungen. Viele der Festteilnehmer, sofern sie noch
nicht völlig weggetreten waren, waren auf ihren Klinen mit Hetären, Tänzerinnen
oder Flötenspielerinnen beschäftigt. Alexander musterte Theopompos amüsiert
über den Rand seiner Schale hinweg.
„Dass der makedonische Adel sich nur für Saufen, Würfelspielen
und Herumhuren interessiert, ist ja allgemein bekannt“, giftete der
Geschichtsschreiber. „Die Griechen am Hof sind allerdings auch nicht besser!
Man könnte meinen, Philipp habe aus ganz Griechenland das übelste Gesindel
zusammengetrommelt, das er auftreiben konnte, Leute, die ebenso vulgär und hemmungslos
sind wie er selbst. Er ist offenbar nur glücklich, wenn er die ganze Nacht
trinken und schmutzige Lieder singen kann.“
Alexander sagte immer noch nichts, aber Hephaistion, der
durch das Gezeter allmählich wieder wach wurde, kicherte kaum wahrnehmbar vor
sich hin. Es war unübersehbar, dass auch Theopompos zu viel intus hatte, sonst
wäre er nicht so über den König, seinen Wohltäter und Brötchengeber,
hergezogen.
„Dieser Anaximenes ist ein unverschämter Kerl“, wechselte
Theopompos abrupt das Thema. „Er spielt sich damit auf, an einem Geschichtswerk
über Philipps Regierungszeit zu arbeiten. Dabei wird das Thema bereits von mir
erschöpfend behandelt.“
Anaximenes war vor Kurzem in Pella aufgetaucht, und der
König, der potenzielle Verherrlicher seines Ruhmes immer zu schätzen wusste,
hatte ihn gastlich aufgenommen.
„Bei welchem Buch bist du denn inzwischen?“, erkundigte sich
Alexander.
„Beim achtundzwanzigsten.“
„Immer noch? Soweit ich mich erinnere, warst du dort schon
vor einem Jahr.“
Hephaistions Kichern war nun unüberhörbar. Theopompos
musterte ihn indigniert. Hephaistion wurde rot, nahm Alexander die Trinkschale
aus der Hand und ertränkte sein Gekicher darin.
„Es hat so lange gedauert, meinen Skythenexkurs zu
vollenden. Literarische Qualität braucht eben Zeit. Wenn es dem König zu lange
dauert und er stattdessen lieber diesen Schnellschreiber protegiert – bitte, er
wird schon sehen, was er davon hat! Anaximenes behauptet übrigens, er sei auf
deine Einladung hin in Pella.“ Theopompos starrte Alexander vorwurfsvoll an.
„Möglicherweise habe ich in Athen etwas in dieser Richtung
erwähnt“, gab Alexander zu.
„Ein unverschämter Kerl, dieser Anaximenes, wie alle Kyniker.
Die sind auf ihre Frechheit und Schamlosigkeit sogar noch stolz. Ihr Lehrer,
dieser Diogenes, masturbiert in aller Öffentlichkeit, wusstest du das?“
„Ich habe davon gehört.“
Theopompos blickte sich angeekelt im Saal um. „Ein Skandal,
wie viele junge Männer hier keinen Bart tragen, obwohl sie schon über das
entsprechende Alter hinaus sind.“ Er fixierte Alexander und Hephaistion und
kniff dabei die Augen zu. „Wie alt seid ihr beide eigentlich?“
„Noch nicht alt genug, um unbedingt einen Bart tragen zu
müssen“, beteuerte Hephaistion und setzte sich auf. Sein Kranz aus gelb
blühendem Steinklee war verrutscht und hing ihm schief in die Stirn.
Alexander fügte hinzu: „Viele Götter und Helden tragen keine
Bärte. Oder hast du schon mal einen Apollon mit Bart gesehen? Oder einen
Achilleus? Außerdem ist ein Bart im Kampf hinderlich.“
„Du nimmt mich auf den Arm!“
„Durchaus nicht. Der Gegner kann einen daran packen und
festhalten.“
Eumenes auf der Nachbarkline schnaubte verächtlich durch die
Nase und starrte demonstrativ an ihnen vorbei.
„Nicht, dass das überhaupt eine Rolle spielen würde“, fuhr
Theopompos verbittert fort. „Einige von den Kerlen hier tragen ja Bärte und
treiben es trotzdem miteinander. So etwas Groteskes kann es nur in Makedonien
geben!“
„Wieso?“, protestierte Hephaistion. „Bei euch Griechen gibt
es doch auch Päderastie.“
„Das ist etwas völlig anderes!“, ereiferte sich Theopompos.
„In Griechenland hat die Päderastie eine erzieherische Funktion: Ein
erwachsener Mann führt einen Jungen in die Welt der Männer ein und lehrt ihn
alles, was er können und wissen muss. Aber das hier …“ Wieder sah er sich
angeekelt um. „Hier treiben es Gleichaltrige miteinander! Wo bleibt da der
erzieherische Aspekt? Und nicht nur Jungen mit Jungen, sondern sogar Männer mit
Männern!“ Nicht weit von ihnen war gerade eine Dreiergruppe miteinander
zugange, Königsjungen oder junge Offiziere, die Alexander flüchtig kannte. „Und
das wollen Offiziere sein und Gefährten des Königs! Man sollte sie nicht
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