Eine Krone für Alexander (German Edition)
Hephaistions Schwester sein können, oder seine Kusine, was
sie möglicherweise sogar war. Er fühlte sich manipuliert und benutzt.
„Wer hat dich geschickt?“, fragte er, schärfer als
beabsichtigt.
Sie zuckte zusammen. „Niemand. Ich bin von selbst gekommen,
weil du mir gefällst.“
Er schnaubte. „Erwartest du, dass ich das glaube?“
„Warum nicht? Ich meine … warum solltest du mir nicht gefallen?
Du bist ein hübscher Junge! Merkst du nicht, wie die Frauen nach dir schauen?“
„Junge? Eben war ich noch ein Mann.“
„Mann, Junge … “ Sie sprach nicht weiter.
Er stand auf und sah sich um. Die Erregung war immer noch
da, aber er versuchte, sie zu unterdrücken. Irgendwo musste sie ihre Kleider
gelassen haben. Dort waren sie, über einen Stuhl gelegt. Er nahm sie und hielt
sie ihr hin, ohne sie anzusehen.
„Zieh dich an.“
Sie nahm die Sachen, und er verließ höflich den Raum, damit
sie sich in Ruhe anziehen konnte. Draußen fuhr er sich mit den Händen über das
Gesicht und versuchte, wieder einen klaren Kopf zu bekommen. Dann begann er,
nach und nach die Lampen wieder anzuzünden. Als er fertig war, stand sie in der
Tür, bereits angezogen. Es war auch nicht viel gewesen, was sie hatte anlegen
müssen, nur einen Chiton aus hauchdünnem, plissierten Stoff, ihren Gürtel und
die Sandalen. Kein Schmuck, kein Umhang, kein Schleier.
„Es tut mir leid“, flüsterte sie. „Ich dachte, du freust
dich.“
„Wer hat dich geschickt?“, fragte er noch mal.
„Ich bin aus eigenem Antrieb gekommen.“
„Jemand hat dich hereingelassen, die Diener fortgeschickt
und die Lampen gelöscht.“ Und gewusst, dass Hephaistion heute Nacht nicht im
Weg sein würde. „Wer war es?“
Plötzlich schien ihr klar zu werden, was er vermutete. „Du
brauchst dir keine Sorgen zu machen. Es ist, wie ich gesagt habe: Ich bin von
selbst gekommen. Jemand hat mich ermutigt … jemand, der dir nahesteht … und der
es gut mit dir meint. Niemand will dich in eine Falle locken, wenn es das ist,
was du befürchtest. Es tut mir leid, wenn ich dich … in Verlegenheit gebracht
habe.“
Mit einem Mal kam er sich lächerlich vor. Er brachte ein versöhnliches
Lächeln zustande. „Das hast du nicht. Du bist sehr schön, und ich fühle mich …
geschmeichelt. Aber du bist verheiratet, deshalb geht es nicht. Es wäre nicht
richtig.“
Er öffnete eine der Truhen und holte einen wollenen Umhang
heraus, den er ihr um die Schultern legte, eine unbeabsichtigt fürsorgliche
Geste. Verspätet fiel ihm ein, dass es vermutlich nicht klug war, ihr etwas zu
geben, was ihm gehörte. Doch sie trug nur ihren dünnen Chiton, und er wollte
sie so nicht nachts durch den Palast laufen lassen. Er öffnete die Tür und rief
nach dem Wachposten. Er kannte den Mann, er war vertrauenswürdig und würde
nicht reden.
„Die Dame muss sicher nach Hause geleitet werden.“
Laodika zog sich den Umhang wie einen Schleier über den
Kopf. Als sie ging, drehte sie sich noch einmal um und warf Alexander einen
letzten und schon wieder recht feurigen Blick zu.
„Schade“, sagte sie mit kokettem Augenaufschlag.
„Ich habe sie nicht geschickt.“
Sie nahm die Schlange und verstaute sie mit geübten
Handgriffen in ihrem Korb, ein schmales, geflecktes Band. Alexander kannte das
Tier nicht, in letzter Zeit war er nur selten bei seiner Mutter gewesen.
Olympias öffnete einen der anderen Körbe und holte ihre Lieblingsschlange
hervor.
„Allenfalls ein wenig ermutigt. Sie war sehr interessiert.
Und sie ist nicht die Einzige. Du bist der Sohn des Königs und obendrein jung
und schön. Die Frauen würden Schlange stehen vor deiner Tür, wenn du sie nur ließest.“
Sie packte die Schlange in der Mitte und hielt den steif vorgestreckten Kopf
vor ihr Gesicht. Die gegabelte Zunge schoss hervor. „Ich habe es nur gut gemeint.“
„Gut gemeint?“, fauchte Alexander wütend. Er warf seinen
Mantel auf die Kline und setzte sich. „Ärger wegen einer verheirateten Frau ist
das Letzte, was ich brauchen kann!“
„Es hätte keinen Ärger gegeben“, erwiderte Olympias leichthin.
„Laodikas Mann ist viel älter als sie und hat erwachsene Söhne von seiner
ersten Frau. Glaubst du, er hätte dich zum Zweikampf herausgefordert? Wenn er
so empfindlich wäre, hätte er sich schon mit vielen Männer duellieren müssen.
Warum bist du so wütend? Andere wären froh, wenn sich ihnen eine solche
Gelegenheit bieten würde. Oder hast du nur Augen für deinen Freund, wie
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