Eine Krone für Alexander (German Edition)
Blick zu bekommen. Die kleine Göttin war nur spärlich bekleidet. Ihr
Chiton klebte nass am Körper und war halb von der Schulter gerutscht, sodass er
den Ansatz des Busens freigab. Mit der rechten Hand raffte die Nymphe den Stoff
auf dem Oberschenkel und entblößte ihren Fuß, dessen Spitze sie graziös auf den
Boden aufsetzte.
„Ziemlich freizügig für eine Göttin“, sagte eine weibliche
Stimme, „aber andererseits ist sie eine Nymphe, und Nymphen sind bekanntlich
nicht prüde.“
Alexander fuhr herum. Thessalos war spurlos verschwunden,
stattdessen stand Kallixeina auf dem Pfad. Ihre Kithara hatte sie mitgebracht.
„Darf ich mich zu dir setzen?“
Alexander wollte nicht unhöflich sein. „Natürlich.“
Die Hetäre ließ sich elegant auf den Brunnenrand sinken. Ihr
Chiton und ihre Frisur befanden sich trotz des fortgeschrittenen Abends in
tadellosem Zustand, auf dem Kopf trug sie einen Kranz aus weißen und roten
Rosen.
„In Korinth scheint es überall Quellen und Brunnen zu geben“,
sagte er, um überhaupt etwas zu sagen.
Kallixeina schenkte ihm ein atemberaubendes Lächeln. „Korinth
ist die Stadt des Wassers. Sicher hast du schon die Peirene-Quelle besucht.
Wusstest du, dass sie aus Tränen entstanden ist? Die Nymphe Peirene hatte einen
Sohn, und als er starb, verwandelte sie sich vor Trauer in eine Quelle.“
„Ich habe gehört, die Peirene-Quelle soll aus dem Hufschlag
des Pegasos entsprungen sein.“ Kaum waren die Worte heraus, kamen sie ihm auch
schon altklug und besserwisserisch vor.
Kallixeina lachte jedoch nur, ein angenehmes und perlendes
Lachen. „Das ist eine andere Version der Geschichte. Welche stimmt, wird man
wohl nie erfahren.“
Ptolemaios hatte recht, sie war eine schöne Frau. Nicht mehr
ganz jung, sicher schon Ende zwanzig, doch ihr Gesicht war makellos und fein geschnitten,
das Haar zu einer Frisur aufgebaut, die einfach wirkte, aber in Wirklichkeit
kompliziert war.
„Warst du auch an der Glauke-Quelle?“, fragte sie. „Glauke
war die Tochter des Königs Kreon. Als Jason ihretwegen seine Geliebte Medea
verließ, schickte die ihr zur Hochzeit ein vergiftetes Kleid. Als Glauke es
anlegte, ging es auf ihrem Körper in Flammen auf. In ihrer Qual stürzte sie
sich in die Quelle. Die Bürger von Korinth töteten daraufhin aus Rache Medeas
Kinder.“
„Wir haben ihr Grab in der Nähe der Quelle gesehen. Aber ich
dachte, Medea hat ihre Kinder selbst umgebracht?“
„Nein, das hat Euripides in seiner Tragödie nur so
dargestellt, um ihre barbarische Wildheit herauszustellen. Medea war eine
Fremde von den Küsten des Pontos und eine Zauberin.“ Kallixeina hob ihre
Kithara auf den Schoß. Versuchsweise zupfte sie an den Saiten und brachte ein
paar melodische Töne hervor. „Möchtest du, dass ich dir etwas aus Euripides’ Medea vortrage?“
„Lieber nicht“, sagte Alexander hastig.
„Es ist ein sehr tragisches Stück. Wenn du willst, kann ich
dir etwas Leichteres und Fröhlicheres spielen. Vielleicht etwas über deinen
Vorfahren Achilleus? Ich habe gehört, du verehrst ihn.“
„Das ist nicht nötig.“ Fieberhaft überlegte er, wie er ihr
schonend beibringen konnte, dass sie ihre Zeit mit ihm verschwendete.
„Vielleicht solltest du wieder hineingehen und dir jemand anderen suchen.“
Kallixeina schien zu verstehen. „Mach dir keine Gedanken.
Die finanzielle Seite ist bereits erledigt.“
„Wie meinst du das?“ Dann kam die Erleuchtung. „Willst du
damit sagen, jemand hat dich … bezahlt?“ Sie erhielt keine Gelegenheit zu einer
Antwort, denn er war bereits wütend aufgesprungen. „In diesem Fall hat der
Betreffende sein Geld umsonst ausgegeben. Ich wünsche dir noch einen schönen
Abend!“
Er drehte sich um und rauschte davon, zurück in den
Festsaal. Ohne auf die verblüfften Gesichter der anderen Gäste zu achten,
packte er Thessalos am Arm und zerrte ihn vor die Tür. „Was hast du dir dabei
gedacht?“, fauchte er. „Diese Hetäre auf mich anzusetzen?“
„Wieso? Hat sie dir nicht gefallen?“ Thessalos rieb sich den
schmerzenden Oberarm. „Ich habe sie ausgesucht, weil sie nicht so eine
angemalte Puppe ist, die es nur darauf anlegt, die Männer auszunehmen. Mit ihr
kann man wirklich eine gepflegte Unterhaltung führen.“
„Offensichtlich kennst du sie ja gut. Glaubst du, ich bin
nicht in der Lage, mein Liebesleben selbst zu regeln?“
„Das wollte ich damit nicht andeuten“, erwiderte Thessalos
erschrocken. „Es tut mir leid. Es
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