Eine Krone für Alexander (German Edition)
sollte nur ein Gefallen sein.“
Alexander versuchte, seinen Zorn unter Kontrolle zu bringen
und einen klaren Gedanken zu fassen. „Ein Gefallen? Für wen? Hat dich jemand beauftragt?“
Thessalos antwortete nicht, doch allmählich blickte Alexander durch. „War es
meine Mutter?“
Widerwillig gab Thessalos zu: „Ich erledige öfter Aufträge
für sie. Ich habe mir nichts dabei gedacht. Ich wusste nicht, dass es dich
stören würde.“
Am nächsten Morgen zitierte Philipp ihn zu sich. Alexander
nahm an, es habe etwas mit den Verhandlungen über den Friedensvertrag zu tun,
doch sein Vater ging mit ihm hinaus in den Garten und steuerte ein
übersichtliches Plätzchen an, außer Hörweite unerwünschter Lauscher. Philipp
setzte sich schwungvoll auf ein Mäuerchen und klopfte auf den Platz neben sich,
doch Alexander, inzwischen mit ungutem Gefühl, blieb lieber stehen.
„Was hat dir an dieser Kallixeina nicht gepasst?“, fragte Philipp
ohne Umschweife. „Die war doch recht ansehnlich, und gebildet und kultiviert
war sie auch.“
„Also weißt du auch schon, was passiert ist!“, sagte
Alexander verbittert. „Lässt du mir nachspionieren?“
„Du weißt doch genau, dass ich jedem und allem nachspioniere.
Also, was sollte das gestern Abend? Du hast dich dieser armen Frau gegenüber
wie ein ungehobelter Klotz benommen. Sie so anzuschnauzen und dann
davonzurauschen wie eine beleidigte Jungfrau!“
„Ich wollte sie nicht beleidigen, aber ich denke auch nicht
daran, mich auf Befehl mit ihr einzulassen. Jemand hat sie dafür bezahlt, dass
sie sich an mich herangemacht hat.“
„Ja, und zwar deine Mutter.“
„Du weißt davon?“ Alexander war fassungslos.
„Deine Mutter und ich sind nicht oft einer Meinung, aber in
diesem Fall muss ich ihr recht geben.“
„Du billigst das also? Meine Mutter beauftragt einen Schauspieler,
eine Hure für mich anzuheuern, und du machst gemeinsame Sache mit ihr?“
Er wollte noch mehr sagen, doch Philipp schnitt ihm mit
einer energischen Handbewegung das Wort ab. „Hör auf herumzuschreien und setz
dich hin.“ Wieder wies er auf den Platz neben sich. „Ich habe Wichtiges mit dir
zu besprechen, und ich möchte nicht brüllen müssen, während du wie ein
aufgeregter Kampfhahn vor mir auf und ab stolzierst.“
Alexander war zu aufgebracht zum Sitzen, doch sein Vater
bestand darauf, und so gab er schließlich nach. Trotzig starrte er geradeaus
und biss die Zähne zusammen. Philipp warf einen Blick zum Himmel. Der Tag versprach,
schön zu werden.
„Du hast doch gestern Abend so interessiert zugehört, wie
ich mich mit diesem Dionysios unterhalten habe.“
„Ja. Und?“
„Was für einen Eindruck hattest du von ihm?“
„Ich fand, dass er eine jämmerliche Figur abgab.“
„Was weißt du über seinen Vater, den älteren Dionysios?“
Alexander taute ein wenig auf, das Thema interessierte ihn.
„Mit fünfundzwanzig Jahren haben ihn die Syrakusaner zum bevollmächtigten Strategen
ernannt, zum Feldherrn îm Krieg gegen die Karthager, die die Griechen in
Sizilien damals bedrängten. Dionysios vertrieb sie von der Insel, dann machte
er sich zum Tyrannen von Syrakus. Unter seiner Herrschaft wurde die Stadt zur
größten und mächtigsten im Westen der griechischen Welt.“
„Und als er starb?“
„Stellte sich heraus, dass sein Sohn unfähig war, sein Werk
fortzuführen. Er verspielte alles, was sein Vater aufgebaut hatte.“
„Der ältere Dionysos war wahrscheinlich der bedeutendste
Mann, den Griechenland seit Perikles hervorgebracht hat. Eine Zeit lang hielt
ihn Isokrates sogar für den starken Mann, der die Griechen einen und gegen die
Perser führen würde. Doch Dionysios starb, und wie es aussieht, bin ich nun der starke
Mann geworden. Wenn die Abgeordneten mit ihrem Palaver fertig sind, werden sie
mich zum Hegemon wählen, und ich werde verwirklichen, was Dionysios nicht
gelungen ist.“ Philipp verstummte. Er schien ganz in seinen Gedanken versunken
zu sein. Dann wurde sein Blick wieder klar. „Hegemon auf Lebenszeit! Und wenn
ich einmal abtrete, wird dieses Amt auf dich übergehen, denn die Verträge
werden ausdrücklich für mich und meine Nachkommen Gültigkeit haben. Ist dir
klar, was das bedeutet?“
„Natürlich.“
„Wenn du keinen Sohn hinterlassen solltest, werden die
Verträge hinfällig, und alles, was ich erreicht habe, wird zusammenbrechen wie
das Werk des Dionysios.“
„Ich verstehe, was du meinst. Aber zeigt sein Beispiel
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