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Eine Krone für Alexander (German Edition)

Eine Krone für Alexander (German Edition)

Titel: Eine Krone für Alexander (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elfriede Fuchs
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in Positur und begann, mit seiner raumfüllenden,
professionell geschulten Stimme zu deklamieren.
    „Deine Gedanken fliegen himmelhoch,
    hin über die Fluren weiter Ebenen,
    in deinen Gedanken überfliegst du
    die Dächer von Palästen, voll Unvernunft
    setzt du Vertrauen in dein Leben.
    Er aber schleicht auf schnellen Füßen
heran
    und wirft Finsternis über dich,
    plötzlich und ungesehen tritt er zu dir,
    der qualenreiche Tod, der die Menschen
    ihrer großen Hoffnungen beraubt.“
     
    Die Anwesenden spendeten frenetisch Beifall. Jeder kannte
den Mythos von Pha ё ton, dem sein Vater, den
Sonnengott, die Bitte erfüllt hatte, einmal den Sonnenwagen über den Himmel
lenken zu dürfen. Doch Pha ё ton verlor die
Herrschaft über das Fahrzeug, und damit er nicht die ganze Welt in Brand
steckte, erschlug Zeus ihn mit seinem Blitz. Natürlich bezogen alle Gäste die
Verse auf den Großkönig, der sich auf seinem Thron in Susa im Glanz seiner
Macht sonnte – und nichts von dem Unheil ahnte, das sich über ihm zusammenzog.
    Als es dunkel wurde, kündigte Trompetengeschmetter die
Ankunft der Braut an. Olympias verströmte eine Aura des Triumphs, als sie ihrer
Tochter die Hochzeitsfackel vorantrug. Während der Zeremonie würdigte sie
Philipp keines Blickes. Die Trinksprüche fielen an diesem Abend ungewohnt
harmlos aus, vermutlich, weil man den Gästen aus dem Süden wenig Verständnis
für den speziellen makedonischen Humor zutraute.
    Dann folgte der Brautzug. Bis dahin hatte Alexander noch nie
bei einer königlichen Hochzeit miterleben können, wie die Braut feierlich in
ihr neues Heim geleitet wurde. Die Hochzeit des Königs im vorigen Jahr hatte er
vorzeitig verlassen, und bei der von Kynnana und Amyntas zuvor hatte der Umzug
im Palast sowohl begonnen als auch geendet. Diesmal war das neue Heim der Braut
zu weit entfernt, um im Rahmen der Zeremonie von Nutzen zu sein. So beschränkte
man sich auch diesmal wieder auf eine Rundfahrt durch die Stadt.
    Wieder im Palast angekommen, ließen sich die Freunde des
Bräutigams vor der Tür des Brautgemachs nieder. Es waren die alten Kameraden
aus seiner Zeit bei den Königsjungen, darunter Philotas sowie eine verwirrende
Anzahl von Amyntassen: Alexanders Cousin gehörte zu ihnen, ebenso dessen
Busenfreund, mit dem Alexander den Streit im Badehaus gehabt hatte, sowie der
älteste Bruder von Attalos, Alexanders Jugendfreund. Er setzte sich eine
Zeitlang dazu und lauschte ihren unmelodischen Gesängen, während der Weinkrug
die Runde machte. Bis jemand eine Bemerkung fallen ließ, wegen all der
griechischen Langweiler habe man diesmal noch gar keine saftigen Sprüche zu
hören bekommen. Alexander verstand den Wink mit dem Zaunpfahl; immerhin war es
seine Schwester, über die man in Ruhe geschmacklose Witze reißen wollte. Um
kein Spielverderber zu sein, machte er sich bald davon. Ihm war es recht so,
denn der morgige Tag drohte, anstrengend zu werden.
    Schon bei Tagesanbruch strömten die Zuschauer in das Theater
von Aigai, um sich die besten Plätze zu sichern. Inzwischen formierte sich
weiter unten in der Stadt, am Heiligtum der Göttermutter, der Festzug.
Alexander wartete im heiligen Bezirk darauf, dass es losging. Mit ihm warteten
die Statuen der zwölf Olympischen Götter, die, kunstvoll gestaltet und
aufwendig geschmückt, im Halbkreis auf ihren mit Tragestangen ausgestatteten
Sockeln standen. Die Träger ruhten sich solange auf dem Boden aus, denn der
König sprach noch mit den Priestern. Es schien ein sonniger, warmer Tag zu
werden, doch jetzt am Morgen war es noch angenehm kühl. Alexander warf einen
Blick zum wolkenlosen Himmel und schielte dann vorsichtig zu seinem neuen
Schwager hinüber. Er fragte sich, ob von ihm womöglich erwartet wurde, dass er
einen der unvermeidlichen Hochzeitsnachtwitze zum Besten gab.
    „Vielleicht habe ich gestern Abend zu viel getrunken“, sagte
der frischgebackene Ehemann mit einer leichten Bewegung seines Kopfes hinüber
zu den wartenden Gottheiten, „aber wenn ich nachzähle, komme ich immer auf
dreizehn.“
    Also schön, dachte Alexander und setzte ein
entschlossenes Grinsen auf. „Ich hoffe, du warst nicht zu betrunken, um deinen
Pflichten als Ehemann nachzukommen.“
    Sein Schwager gab das Grinsen pflichtschuldigst zurück.
„Deine Schwester hat sich jedenfalls nicht beklagt.“
    „Da bin ich aber erleichtert“, erwiderte Alexander etwas
lahm, da ihm nichts Besseres einfiel. „Aber was die Zahl der Statuen betrifft:
Es sind

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