Eine Krone für Alexander (German Edition)
des
Unruhestifters Demosthenes, über die seinen König zu informieren Attalos als
seine vornehmste Pflicht ansah.
Als Alexander damit durch war, reichte er das Schreiben
weiter an Antipatros und nahm sich Demosthenes’ Brief vor. Auch dieser enthielt
im Grunde nichts Neues. Der Redner bezeichnete Alexander als Usurpator, der den
Thron unrechtmäßig an sich gerissen habe, prophezeite ihm ein baldiges Ende und
schlug Attalos ein Bündnis vor, um das angeblich Unvermeidbare ein wenig zu
beschleunigen. Gemeinsam werde man Alexander, den dummen Jungen, den Margites,
in die Zange nehmen, Attalos von Asien, Demosthenes von Athen aus. Ganz
Griechenland lechze danach, die Tyrannei abzuschütteln, und warte nur darauf,
dass er, Demosthenes, das Zeichen zum Losschlagen gab. Nach etwa der Hälfte
hatte Alexander genug. Ungeduldig wartete er, bis Antipatros sich ebenfalls
durch die Tirade gekämpft hatte.
„Schade, dem Schreiben ist nicht zu entnehmen, wann es geschrieben
wurde“, meinte Antipatros schließlich. „Ich wette, es hat einen regen
Schriftverkehr zwischen Attalos und Demosthenes gegeben. Als die Athener so
unerwartet schnell klein beigaben, bekam es Attalos mit der Angst zu tun. Jetzt
versucht er zu retten, was zu retten ist. Soll ich Hekataios eine Botschaft schicken?“
„Wozu? Er hat seine Instruktionen.“
Antipatros wies mit dem Kinn auf die verschlossene Tür. „Was
machen wir mit ihm? Er stellt eine Gefahr dar, auch wenn er jetzt wie ein
Häufchen Elend wirkt. Wenn du ihn laufen lässt, könnte er von nun an hinter
jeder Säule auf dich lauern.“
„Ich weiß.“
Der junge Mann tat Alexander leid. Er wirkte nicht
gefährlich auf ihn, doch Hippostratos hatte allen Anlass, Blutrache zu üben. Genau
genommen hatte er sogar zwei gute Gründe, und sobald Attalos tot war, würde er
noch einen weiteren haben. Und dennoch … Noch immer sah Alexander in seinen
Träumen Kleopatras Leichnam von der Decke hängen, immer wieder blickte er in
das kleine, blasse Gesicht ihres toten Kindes. Er wollte nicht noch mehr Blut
ihrer Familie vergießen. Nicht, wenn es nicht unbedingt notwendig war.
Alexander stand auf und entriegelte die Zellentür. Auch Hippostratos
hatte sich wieder erhoben. Er schien sich kaum auf den Beinen halten können,
seine Augen sahen in Alexanders Richtung, ohne ihn wirklich wahrzunehmen,
starrten vielmehr auf einen Punkt weit hinter ihm. Gleichzeitig blinzelte er
vor Müdigkeit.
„Ich möchte dir mein Beileid zum Tod deiner Schwester und
ihres Kindes aussprechen“, sagte Alexander zu ihm.
Hippostratos’ in weite Fernen gerichteter Blick kehrte in
die Gegenwart zurück. Er verriet vage Irritation.
„Ich habe ihren Tod nicht gewollt, habe ihn weder befohlen
noch gebilligt.“ Zum ersten Mal schien der junge Mann Alexander wirklich
anzusehen, endlich schien etwas bis zu ihm durchzudringen. „Glaubst du mir?“
Einen Augenblick lang blickte Hippostratos ihm in die Augen,
er machte eine bejahende Bewegung mit dem Kopf. Danach schien seine Gestalt
wieder in sich zusammenzusinken, er wandte den Blick ab – keine Geste der
Unaufrichtigkeit, wie Alexander instinktiv erkannte, sondern der Resignation.
„Du bist frei. Du kannst gehen, wohin du willst.“
8
„Wann wirst du es endlich kapieren?“, sagte Hephaistion
sauer. „Du bist kein Königsjunge mehr und auch kein verbannter Prinz. Du bist
jetzt König. Du kannst nicht mehr einfach so allein in der Gegend
herumstromern, ohne Schutz und Begleitung. Admetos wird einen Anfall bekommen,
wenn er merkt, dass wir uns einfach vom Acker gemacht haben. Ganz zu schweigen
von Antipatros und seinen frisch ernannten Leibwächtern.“
Alexander erwiderte nichts, sondern wischte sich nur das
klatschnasse Haar aus der Stirn. Wenigstens redete Hephaistion überhaupt wieder
mit ihm, nachdem er seit dem frühen Morgen eisern geschwiegen hatte. Sie waren
– ursprünglich mit standesgemäßer Eskorte – auf dem Weg nach Paliura gewesen,
zum Stammsitz von Antipatros’ Familie. Dessen Schwiegersohn, Alexanders
Namensvetter aus Lynkestis, war soeben zum Strategen von Thrakien befördert
worden. In den nächsten Tagen würde er dorthin aufbrechen, doch vorher wollte
er im Haus seines Schwiegervaters ein rauschendes Abschiedsfest geben.
Unterwegs hatte Alexander von einem kleinen, lokalen Heiligtum des Herakles in
der Nähe erfahren und spontan beschlossen, ihm einen Besuch abzustatten. Er
hatte es satt gehabt, dass er seit seiner Thronbesteigung
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