Eine Krone für Alexander (German Edition)
schlugen die Halme
nieder, damit die Reiter folgen konnten. In völligem Schweigen rückten die
Truppen vor. Als sie das freie Gelände erreichten, formierten sich die Fußtruppen
zum Karree, während die Reiter nach rechts schwenkten. So rückten sie am Ufer
entlang vor zum Lager der Geten, eine bedrohliche Front waffenstarrender
Angreifer, die sich vor dem allmählich hell werdenden Himmel abzeichnete.
Die Geten bemerkten sie erst, als sie das Lager am Flussufer
fast erreicht hatten. In aller Eile griffen die Stammeskrieger zu den Waffen
und schwangen sich auf ihre Pferde. Sie machten kurz Anstalten, sich den Angreifern
entgegenzuwerfen, doch als deren Reiter ausscherten und sich zum Angriff
formierten, ergriffen sie die Flucht.
In wildem Galopp verfolgten die Hetairen-Reiter die Geten
landeinwärts, jagten über die mit niedrigem Gras bewachsene Ebene, bis am Horizont
eine Wallanlage auftauchte. Die Geten hielten in wilder Flucht darauf zu.
Alexander, der mit Kleitos und Philotas an der Spitze ritt, hob die Hand und
ließ seine Leute zurückfallen. Sie würden die Geten nicht mehr einholen können,
ehe sie den Wall erreichten und die Tore sich hinter ihnen schlossen. Das
musste die Stadt sein, von der die Führer gesprochen hatten. Aus der Nähe
wirkten ihre Befestigungen einfach und primitiv.
Während die Reiter auf das Nachrücken der Fußtruppen warteten
und allmählich wieder zu Atem kamen, tat sich Unerwartetes vor der Stadt. Die
Tore, die zuvor hinter den letzten Flüchtenden geschlossen worden waren,
sprangen wieder auf. Reiter preschten daraus hervor. Doch statt auf den Feind
zuzuhalten, drehten sie ab und jagten um die Stadt herum Richtung Norden.
„Die Kerle hauen ab!“, rief Kleitos ungläubig. Er kniff die
Augen zusammen. „Was haben die da auf den Pferden?“
Alexander, der bessere Augen hatte als Kleitos, sah Kleider
und lange Haare flattern – die Reiter hatten ihre Frauen hinter sich auf die
Pferde genommen. Viele hatten zudem Kinder vor sich auf den Kruppen, andere
hatten sich die Kleinen regelrecht unter die Arme geklemmt. Hinter den
Berittenen strömten nun auch Menschen zu Fuß aus den Toren. Sie rannten davon,
so schnell sie konnten.
Die Stadt war verlassen, als die Angreifer schließlich
einzogen. Neugierig sah Alexander sich um, während er durch die lehmigen
Straßen ritt. Die meisten Häuser waren klein und windschief, nicht mehr als
Hütten. Die Wände der wackeligen Holzkonstruktionen waren nachlässig mit Lehm
verputzt, die Dächer mit Schilf gedeckt. Schmale Gassen wanden sich ohne
ersichtliches System zwischen Behausungen und Ställen hindurch. In den Ecken
stanken Misthaufen vor sich hin, hinter denen sich verschreckte Hühner duckten.
Alles wirkte ärmlich und primitiv. Im Grunde war die angebliche Stadt der Geten
nicht mehr als ein groß geratenes Dorf.
Die Hauptstraße mündete auf einen freien Platz aus
festgestampfter Erde. Überall waren Spuren des überstürzten Aufbruchs zu sehen:
verlassene Marktstände, umgestürzte Karren, die Habe der ehemaligen Bewohner
achtlos über den Boden verstreut.
Hephaistion ritt zu Alexander hinüber. „Das ist also die
Stadt der Geten.“ Irgendwo knarrte eine Tür, Gegenstände aus Metall, die vor
der Werkstatt eines Schmiedes hingen, klirrten im Wind. „Hast du genug gesehen?“
„Ja. Der Istros ist wirklich das Ende der zivilisierten
Welt. Jenseits davon gibt es nichts, was der Beachtung wert wäre.“
„Dann lass uns von hier verschwinden.“
„Nur zu gern.“ Alexander wandte sich an Kleitos. „Lass das
Vieh zusammentreiben und dann alles anzünden.“
„Anzünden?“, fragte Hephaistion. „Das armselige Nest? Wozu
die Mühe?“
„Ich will, dass sich die Geten an mich erinnern.“
Am Strand ließ Alexander Altäre für Zeus, Herakles und den
Flussgott des Istros errichten und darauf feierliche Opfer darbringen, als Dank
für seinen Sieg über die Geten. Danach führte er seine Truppen auf das Südufer
zurück. Gleich am nächsten Morgen wurde auf der Insel Peuke ein mächtiger
Einbaum zu Wasser gelassen. Eine Gruppe triballischer Krieger sprang an Bord
und griff nach den Paddeln. Der Einbaum löste sich von der Insel und steuerte
das südliche Ufer an, wo Alexanders Lager lag. Syrmos hatte es auf seiner Insel
mit der Angst zu tun bekommen, nun war er bereit, sich zu ergeben.
Nachdem die Sache mit den Geten und Triballern sich
herumgesprochen hatte, kamen von allen Stämmen in der näheren oder auch
weiteren
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