Eine Krone für Alexander (German Edition)
an. Er sah mitgenommen
und übernächtigt aus, als sei er Tag und Nacht ohne Unterbrechung geritten.
Alexander streckte die Hand aus, und der Bote legte eine Schriftrolle hinein.
„Setz dich“, sagte Alexander zu ihm und zeigte auf einen
Stuhl, während er selbst auf einem anderen Platz nahm.
Der Bote blinzelte, sei es aus Ermüdung, sei es aus
Irritation. Zögernd nahm er Platz, während Alexander dem Königsjungen ein
Zeichen gab, dem Mann einen Becher Wein einzuschenken. Er erbrach das Siegel,
rollte den Papyros auf und begann zu lesen. Als er fertig war, ließ er die
Rolle sinken und sah auf.
„Wie heißt du?“, fragte er den Kurier.
„Korrhagos, Sohn des Konon aus Beroia.“ Der Mann hatte
inzwischen seinen Becher gelehrt und sah wieder eine Spur besser aus.
„Wie lange warst du unterwegs?“
„Einen Tag und zwei Nächte. Ich bin nahezu ununterbrochen
geritten.“
„Warst du es auch, der die Nachricht von Theben nach Pella
überbracht hat?“
„Nein.“
Natürlich, der Bote aus dem Süden musste ebenfalls Tag und
Nacht geritten sein, deshalb hatte Antipatros lieber einen ausgeruhten Kurier geschickt.
Der Nachteil war, dass Alexander dem Mann keine Fragen stellen konnte. Er schickte
ihn fort mit der Anweisung, sich aufs Ohr zu legen.
„Was ist passiert?“, fragte Perdikkas, immer noch neugierig
am Zelteingang.
„Die Thebaner haben zwei Offiziere unserer Garnison umgebracht,
Amyntas und Timoleon.“
„Was?“ Perdikkas hatte die beiden gut gekannt, besonders
Timoleon.
Arybbas polterte: „Was hatten die beiden außerhalb der
Kadmeia zu suchen? War denen nicht klar, dass sie sich auf feindlichem Gebiet
befanden?“
„Ich wette, die waren auf Kneipentour“, spekulierte Perdikkas.
„Wenn man monatelang immer nur auf Mauern starrt, braucht man manchmal eben
einen kleinen Luftwechsel.“
„Amyntas und Timoleon waren Offiziere, sie hätten es besser
wissen müssen …“
Alexander unterbrach den Austausch. „Phoinix, Prothytes und
die anderen Verbannten sind heimlich nach Theben zurückgekehrt. Sie haben ihre
Mitbürger aufgehetzt, unsere Garnison aus der Kadmeia zu vertreiben. Philotas
und seine Leute sind in der Festung eingeschlossen. Die Thebaner behaupten, ich
sei tot – gefallen im Kampf gegen die Barbaren.“
Perdikkas zog die Luft ein, und Arybbas begann zu fluchen.
Alexander fuhr fort: „Wir müssen so schnell wie möglich in
den Süden, ehe der Aufstand auf ganz Griechenland übergreift. Lasst die
Offiziere wecken. In einer Stunde muss die Armee zum Abmarsch bereit sein. Ich
will, dass wir noch vor Morgengrauen unterwegs sind.“
Unruhig begann er, im Zelt umherzuwandern.
6
Elf Tage lang waren sie fast ununterbrochen marschiert, von
Illyrien aus südwärts durch Orestis, Elimeia und Thessalien und dann wieder
einmal durch die Thermopylen. Ehe den Griechen klar wurde, was vor sich ging,
stand Alexanders Armee bereits tief in Boiotien. Bei dem Städtchen Onchestos am
Ufer des Kopais-Sees ließ er sein Lager aufschlagen, ganze drei Stunden Marsch
von Theben entfernt. Doch auch die Thebaner waren in der Zwischenzeit nicht
untätig gewesen. Sie hatten Gesandte in fast alle Städte Griechenlands
geschickt und appellierten an sie, „die Knechtschaft der Barbaren
abzuschütteln“.
„Inzwischen müssen die Thebaner doch erfahren haben, dass
ich noch lebe“, sagte Alexander. Er saß in der Abendsonne auf einem Stuhl vor
seinem Zelt und ließ sich über die Lage in Griechenland ins Bild setzen,
während ringsum das Lager aufgebaut wurde. „Oder sehe ich etwa tot aus?“
„Das nicht gerade“, erwiderte Kleandros mit dem wenigen
Humor, den aufzubringen er in der Lage war. „Auf mich wirkst du ziemlich
lebendig.“
Der alte, mit allen Wassern gewaschene Diplomat neigte ein
wenig zum Trübsinn, trotz seiner Wohlbeleibtheit, die eigentlich auf eine
optimistischere Einstellung zum Leben schließen ließ. Aber ihm oblag ja auch
die undankbare Aufgabe, mit den Thebanern zu verhandeln.
„Sie wollen einfach nicht wahrhaben, dass du noch lebst“,
fuhr er fort. „Als ruchbar wurde, dass ein makedonisches Heer im Anmarsch war,
ließen Phoinix und Prothytes und die anderen Rädelsführer verbreiten, es stehe
unter dem Befehl von Antipatros. Dann meldeten Flüchtlinge, Alexander selbst
habe das Kommando, und prompt hieß es, das müsse ein anderer Alexander sein.“
Alexander machte ein erstauntes Gesicht. „Welcher andere
Alexander sollte das sein?“
„Alexander der
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