Eine Krone für Alexander (German Edition)
Ohne
ein Wort zu sagen, kroch er auf seine Pritsche, wickelte sich in seine Decke
und drehte Alexander den Rücken zu. Alexander stand auf, packte seine Schulter
und beugte sich über ihn. Hephaistion zuckte zusammen und gab ein ersticktes
Stöhnen von sich. Eines seiner Augen war halb zugeschwollen, und an seiner Nase
war Blut.
„Was ist passiert?“
„Nichts!“ sagte Hephaistion und versuchte, sich wegzudrehen.
Alexander hielt ihn fest. „Nichts? Machst du Witze? Wer hat
das getan?“
„Das geht dich nichts an.“
„Mein bester Freund wird verprügelt, und das geht mich
nichts an? Sag mir sofort, wer das getan hat!“
„Tu mir einen Gefallen und halt dich da raus!“
„Wenn mich jemand verprügeln
würde, würdest du dich dann auch raushalten?“
„Das wäre etwas anderes.“
„Wieso wäre das etwas anderes? Ich dachte, wir sind Freunde,
und Freunde halten zusammen. Sie halten sich nicht raus!“
„Alexander, ich weiß, du meinst es gut, aber das hier
betrifft nicht unsere Freundschaft. Wenn du mir helfen willst, dann halt dich
raus. Ich muss das allein durchstehen. Wenn du dich einmischst, machst du alles
nur noch schlimmer.“ Damit drehte Hephaistion sich endgültig um und zog sich
die Decke über den Kopf.
Als Alexander anderen gegenüber den Vorfall ansprechen
wollte, traf er auf eine Mauer hartnäckigen Schweigens. Nicht einmal Attalos
wollte mit der Sprache herausrücken. An die Ausbilder konnte er sich nicht
wenden, ohne als Petze dazustehen, und an Kleitos aus demselben Grund ebenfalls
nicht. Also ging er zu Ptolemaios, der zur Wachmannschaft gehörte und somit
eine Art Mittelding zwischen Freund und Vorgesetztem darstellte. Bei dem
Feldzug in Epeiros hatte er sich eine böse Beinverwundung eingehandelt, die er
nun bei leichtem Wachdienst in Mieza auskurieren sollte.
„Du hast ja keine Ahnung“, sagte Ptolemaios, während er auf
der Pritsche in seiner Unterkunft hockte und die frisch vernarbte Stelle an
seinem Bein mit angeblich wundertätigem Heilöl einrieb. „Wahrscheinlich bekommt
Hephaistion den ganzen Tag dumme Sprüche zu hören. Dass er sich an dich
ranschmeißt, weil du der Sohn des Königs bist, und dass er sich für später mit
dir gutstellen will, so etwa.“
„Aber das ist doch Unsinn! Hephaistion ist egal, wessen Sohn
ich bin.“
„Das wissen aber nicht alle. Viele sehen in ihm nur dein Anhängsel.
Wenn du dich einmischst, bestätigst du ihr Vorurteil. Hephaistion hat völlig
recht, er muss die Sache allein durchstehen, und wie ich ihn kenne, wird er das
schon schaffen. Er kann manchmal ziemlich kratzbürstig sein.“
„Vielleicht hast du recht“, sagte Alexander nachdenklich.
„Er sollte sich wirklich bemühen, nicht dauernd Streit anzufangen.“
Ptolemaios holte tief Luft. „Alexander, das ist nicht das
Problem. Selbst wenn Hephaistion friedliebend wie ein Pythagoreer wäre, würde
er hier in Mieza Ärger bekommen. Jeder, der etwas gegen dich hat, sich aber
nicht an dich herantraut, hält sich an hin, weil er dein Freund ist.“
Ehrlich verblüfft fragte Alexander: „Wieso sollte jemand etwas
gegen mich haben?“
„Wegen deiner Sonderrolle natürlich.“
„Welche Sonderrolle? Ich werde behandelt wie jeder andere!
Hast du eine Ahnung, wie oft ich schon die Ställe ausmisten und die Klos putzen
musste?“
Ptolemaios verdrehte die Augen. „Alexander, sei nicht so naiv!
Gut, die Ausbilder behandeln dich wie jeden anderen. Nur: Du bist nicht jeder
andere – du bist der Sohn des Königs, und glaub ja nicht, dass irgendwer hier
das auch nur einen Augenblick lang vergisst! Alle wissen, dass du eines Tages
ihr König sein wirst. Die eine Hälfte der Jungs will sich unbedingt mit dir gutstellen,
die andere ist neidisch auf dich. Keiner von denen ist dumm genug, um sich
offen mit dir anzulegen, aber das heißt noch lange nicht, dass sie dich alle
mögen.“
Alexander war ebenso überrascht wie ratlos. „Aber ich gebe
mir doch Mühe, zu allen freundlich zu sein.“
„Ja, aber du bist manchmal verdammt gönnerhaft. Es wirkt so,
als ob du allen eine ungeheure Gnade erweist, indem du dich wie ein ganz
normaler Sterblicher benimmst.“ Ptolemaios schien zu überlegen, wie viel
Wahrheit Alexander vertragen konnte. „Einige halten dich für einen
eingebildeten Pinsel.“
„Aber ich bin nicht eingebildet!“
„Doch, du merkst es nur nicht. Dein ganzes Leben lang hast
du im Mittelpunkt gestanden, weil du der Sohn des Königs bist. Alles dreht sich
immer um
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