Eine Krone für Alexander (German Edition)
dich. Da würde wahrscheinlich jeder anfangen, sich für etwas
Besonderes zu halten. Das bist du natürlich auch, und daran lässt sich nichts
ändern.“ Ptolemaios steckte den Stöpsel in das Ölfläschchen und wischte sich
die Hände an einem Lappen ab. „Aber hier in Mieza, unter euch Jungs, sollt ihr
alle Kameraden sein, auf einer Ebene, sonst funktioniert es nicht. Deshalb
solltest du dich nicht immer so in den Vordergrund spielen.“
„Das tue ich doch gar nicht!“
„Doch, das tust du. Nehmen wir zum Beispiel mal den Unterricht
bei Aristoteles.“ Ptolemaios hatte angefangen, an den Vorlesungen teilzunehmen,
wenn er keinen Dienst hatte. „Dauernd verwickelst du Aristoteles oder die
anderen Lehrer in Diskussionen über Themen, die außer dir niemanden interessieren,
so wie das Gequatsche über die Götter neulich. Du weißt alles besser, machst
vorlaute Bemerkungen und stellst klugscheißerische Fragen.“
„Das tun andere auch, etwa Marsyas und Harpalos. Oder Hephaistion.“
„Ja, aber keiner von denen ist der Sohn des Königs.
Vielleicht solltest du dich etwas zurückhalten. Nicht zu sehr, du sollst ja
auch etwas lernen. Nur ein bisschen.“
Alexander dachte nach. Schließlich sagte er: „Gut. Was sonst
noch?“
„Willst du eine ehrliche Antwort?“
„Ja.“
„Du bist ein schlechter Verlierer.“
„Glaubst du etwa, was Kassandros sagt? Ich würde niemals
erwarten, dass andere mich gewinnen lassen, nur weil ich der Sohn des Königs
bin. Und das tut auch niemand.“
„Woher willst du das wissen?“
„Das würde ich merken!“
Ptolemaios seufzte. „Alexander, es ist doch so: Du willst
immer gewinnen. Immer musst du der Erste sein, immer musst du alles besser
können als die anderen.“
„Natürlich. Achilleus wollte auch immer der Beste sein. So
steht es schon in der Ilias: Immer der Beste sein und die anderen
übertreffen. Was soll daran falsch sein?“
Ptolemaios seufzte wieder. „An sich nichts. Aber du solltest
manchmal dein Gesicht sehen: immer so angespannt, immer so verbissen. Wenn du
verlierst oder etwas nicht nach deiner Nase geht, hast du den Rest des Tages
schlechte Laune und fauchst jeden an, der in deine Nähe kommt. Woher willst du
also wissen, dass dich niemand gewinnen lässt?“
Alexander schwieg betreten.
Ptolemaios fuhr fort: „In Pella hat Balakros sich jeden zur
Brust genommen, den er im Verdacht hatte, sich bei dir nicht genügend ins Zeug
zu legen. Aber hier in Mieza haben die Ausbilder keine Zeit, hinter dir herzuräumen.“
Alexander seufzte. „Gut, ich verstehe, was du meinst. Ich
werde versuchen, weniger verbissen zu sein. Und weniger gönnerhaft.“
3
Hin und wieder brachen die älteren Königsjungen zu Jagdausflügen
in den Bermion auf, von denen sie beutebeladen zurückkehrten – und mit tollen
Geschichten, mit denen sie bei den Jüngeren kräftig Eindruck schinden konnten.
Die Ansammlung von Männern und Jungen in der Schule verputzte beachtliche
Mengen Fleisch, und die Jagdausflüge sorgten für den nötigen Nachschub.
Außerdem existierte seit alter Zeit in Makedonien ein Brauch: Als erwachsener
Mann galt nur, wer eigenhändig einen Keiler erlegt und im Kampf einen Feind
getötet hatte; erst dann besaß er das Recht, beim Symposion auf einer Kline zu
liegen, statt auf einem Stuhl sitzen zu müssen wie ein Kind. Folglich brannten
alle Königsjungen darauf, ihren ersten Keiler zu erlegen, und wer es geschafft
hatte, erntete von allen Seiten Neid und Bewunderung.
Während die Älteren auf der Jagd ihr Glück versuchen durften,
blieben die Jüngeren neiderfüllt in der Schule zurück. Die Ausbilder wiesen sie
unterdessen in die Handhabung der Jagdwaffen ein und erläuterten die theoretischen
Grundlagen des Waidwerks. Hölzerne Attrappen, die die Form von Hirschen oder
Wildschweinen hatten und mit Tierfellen bespannt waren, wurden auf Rädern
hinter Pferden hergezerrt, damit die Nachwuchsjäger das Treffen beweglicher
Ziele üben konnten.
Proteas erging sich in seinen üblichen Klagen. „Während die
anderen sich auf der Jagd bewähren dürfen, müssen wir hierbleiben und auf
alberne Holztiere schießen. Ich kann es gar nicht erwarten, dass man uns
endlich auch mal ranlässt!“
„Das kennen wir mittlerweile schon“, spottete Harpalos.
„Wenn es dann so weit ist, jammerst du doch nur wieder.“ Er machte Proteas nach
und beschwerte sich mit weinerlicher Stimme: „Ich weiß gar nicht, wozu die
ganze Jagerei gut sein soll! Wir werden
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