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Eine Krone für Alexander (German Edition)

Eine Krone für Alexander (German Edition)

Titel: Eine Krone für Alexander (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elfriede Fuchs
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Strafexerzieren, Sondermärschen in voller Bewaffnung und gegebenenfalls
einem längeren Aufenthalt im schuleigenen Knast.
    Wie Antigenes wohl geahnt hatte, entpuppten sich Proteas und
Langaros als die mit Abstand schlimmsten Taugenichtse des Jahrgangs. Sie gaben
sich heimlich dem Würfelspiel hin, legten illegale Weinvorräte an und unternahmen
nächtliche Ausflüge in die Tavernen der nahe gelegenen Stadt. Als Folge ihrer
Eskapaden wurden sie so oft zu Strafdiensten vergattert, dass sie intern den
Spitznamen „Latrinenbeauftragte“ erhielten. Hatte Proteas sich gleich zu Anfang
über die ihm drohende geistige Bildung beschwert, so jammerte er nun ebenso
über den militärischen Drill. Eines Abends, nachdem die Ausbilder sie wieder
den ganzen Nachmittag in voller Montur über die Exerzierplätze gejagt hatten,
beschwerte er sich lautstark beim Essen.
    „Ich weiß nicht, was die ganze Exerziererei soll! Wir werden
doch später mal Offiziere. Da geben wir nur Befehle und müssen nicht selbst
exerzieren. Wozu sollen wir hier durch den Staub trampeln wie die Bauernlümmel
von der Phalanx? Ich jedenfalls gehe später sowieso zur Reiterei, so wie mein
Onkel Kleitos.“
    Einer der älteren Königsjungen, der an diesem Abend an der
Essensausgabe Dienst hatte, mischte sich ein. „Und was ist, wenn du einmal
Fußtruppen kommandieren musst? Willst du dann vor deinen Leuten herreiten oder
was?“
    Die Lehrer und Ausbilder hatten alle Hände voll zu tun, um
großspurige Adelssöhne, verwöhnte Griechen und ungehobelte Hochlandbewohner
unter einen Hut zu bekommen. Die Jungen aus Niedermakedonien betrachteten die
aus Obermakedonien als Hinterwäldler, die aus Obermakedonien hielten die aus
Niedermakedonien für eingebildet, und beide zusammen mochten die Griechen
nicht, die sie als degeneriert verachteten, während diese umgekehrt in ihnen
nur eine arrogante und unzivilisierte Bande sahen.
    Eines Tages waren Alexander und Hephaistion wegen einer
Lappalie zum Latrinenputzen vergattert worden und kamen deshalb zu spät zum
Abendessen. Die üblichen Plätze bei ihren Freunden waren vergeben, und so
setzten sie sich notgedrungen zu einer Gruppe von Griechen aus Amphipolis.
    „Das ist aber nett!“, sagte Nearchos mit vor Spott
triefender Stimme. Seine Familie stammte ursprünglich aus Kreta, hatte sich
dann aber in Amphipolis niedergelassen. „Der Sohn des Königs und sein
Busenfreund erweisen uns die hohe Ehre, sich allerhöchstselbst zu uns
dekadenten Griechen zu gesellen!“
    Hephaistion, wegen des Putzdienstes ohnehin in geladener
Stimmung, starrte Nearchos an, als wolle er ihm jeden Augenblick den Inhalt
seiner Schüssel über den Kopf schütten.
    Alexander begann ungerührt, seinen Brei zu löffeln. „Wir
sind bei euch gelandet, weil hier noch Platz war. Außerdem bin ich hier nicht
der Sohn des Königs, sondern nur der des Philippos aus Pella. Oder was meinst
du, warum ich eben die Latrinen putzen durfte?“
    „Schon gut. Vergiss einfach,
was ich gesagt habe.“
    Als nicht weniger strapaziös, wenn auch auf andere Weise,
erwies sich der Unterricht bei Aristoteles. Der Philosoph verfügte über ein
geradezu enzyklopädisches Wissen auf allen Gebieten. Im Mittelpunkt seines
Denkens stand die empirische Erfassung der Welt, und dabei war für ihn systematisches
und methodisches Vorgehen unerlässlich. Auf den ersten Blick war sein
Unterricht daher eher trocken. Anfangs gab es gewisse Disziplinprobleme, doch
schnell wurde klar, dass jeder, der im Unterricht nicht aufpasste, der störte
oder gar schwänzte, dafür ebenso bestraft wurde wie für militärisches
Fehlverhalten. So konnte kein Zweifel aufkommen, dass die theoretische
Ausbildung in Mieza genauso ernst zu nehmen war wie die praktische.
    Eines Tages lenkte Alexander das Gespräch während des
Unterrichts auf ein Thema, das ihn persönlich interessierte: die Frage, ob auch
die Sphäre des Göttlichen empirisch erfasst werden konnte.
    „Es ist ein weit verbreitetes Missverständnis“, dozierte
Aristoteles, „dass die Philosophie eine Ablehnung oder gar Leugnung des
Göttlichen impliziert. Sokrates, der wegen angeblicher Gottlosigkeit
hingerichtet wurde, war das Opfer eines tragischen Justizirrtums. In Platons
Ideenlehre kommt dem Prinzip des Göttlichen zentrale Bedeutung zu. Ernst zu
nehmende Philosophie leugnet das Göttliche also keineswegs, vielmehr stellt sie
den Glauben daran auf eine rationale Grundlage.“
    Das war Alexander zu allgemein. „Du sprichst vom

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