Eine Krone für Alexander (German Edition)
schon gehört,
dass mein alter Freund Hermeias verhaftet und nach Susa deportiert wurde.
Gestern haben wir erfahren, dass er tot ist. Vor seiner Hinrichtung hat man ihn
gefoltert, doch unter allen Qualen kam kein einziges Wort über seine Lippen. Er
ist gestorben wie ein wahrer Philosoph.“
Es war vollkommen still geworden. Aristoteles hatte ins
Leere gestarrt, nun ließ er seinen Blick durch die Runde wandern.
„Vergesst niemals, was die
Perser in ihrer barbarischen Grausamkeit Hermeias angetan haben! Alexander,
eines Tages wirst du König sein, und dann denke an den Rat, den ich dir jetzt
gebe: Behandle die Griechen wie Freunde und Verwandte, die Barbaren aber wie
Pflanzen oder Tiere! Die einen verdienen wohlwollende Führung, die anderen
verstehen nur Despotie und Tyrannei.“
„Dann hat Hermeias unter der Folter also nichts von dem Geheimvertrag
verraten“, flüsterte Hephaistion. Er und Alexander lagen auf ihren Pritschen
und unterhielten sich leise in der Dunkelheit, während die anderen allmählich
in den Schlaf hinüberdämmerten. „Glaubst du, dass dein Vater wirklich einen
Feldzug gegen die Perser plant?“
„Früher oder später bestimmt. Warum sonst das Abkommen mit
Hermeias? Doch vorher muss er in Griechenland für Ordnung sorgen, und da kam
ihm dieses Sendschreiben von Isokrates sicher wie gerufen.“ Alexander lag auf
dem Bauch, den Kopf auf die verschränkten Arme gelegt, und starrte zu
Hephaistion hinüber.
„Ich werde das Gefühl nicht los, dass es diesem Isokrates
weniger um die Perser geht als um die Griechen“, überlegte Hephaistion. „Seit
dem Ende der Perserkriege haben sie nichts anderes getan, als aufeinander
einzudreschen. Bestimmt wurde dadurch mehr Chaos angerichtet als durch Xerxes’
Horden. Vielleicht will Isokrates nur erreichen, dass die Griechen ihre notorische
Uneinigkeit überwinden, damit endlich wieder Frieden unter ihnen herrscht.
Warum kicherst du?“
Alexander drehte sich auf den Rücken. „Ich musste gerade an
Barsine denken. Sie war immer so davon überzeugt, die Perser seien den Griechen
überlegen und dazu berufen, über alle Völker auf der Erde zu herrschen.“
Hephaistion begann ebenfalls zu kichern. „Verrückte Idee!“
„Ja. Ich wünschte, Aristoteles und Kallisthenes hätten
Barsine hören können. Sie hätten sich schwarzgeärgert, nicht nur wegen ihren
Ansichten, sondern auch, weil sie eine Frau ist. Frauen halten sie für genauso
minderwertig wie Barbaren.“
Aus einem der Nachbarbetten ließ sich Nearchos unwirsch
vernehmen: „Vielleicht könnten die Herren Philosophen endlich die Klappe
halten! Hier versuchen nämlich Leute zu schlafen!“
7
Im Frühjahr ritten die Königsjungen mit ihren Ausbildern
nach Aigai, um zusammen mit dem Hof die Dionysien zu feiern. Dort traf
Alexander einige seiner alten Lehrer wieder. Leonidas belegte Antigenes sofort
mit Beschlag und verhörte ihn ausführlich zum Ausbildungsstand der
Königsjungen. Später nahm er Alexander beiseite.
„Ich habe gehört, du hast deinen ersten Keiler erlegt. Glückwunsch!“,
schnarrte er in seinem vertrauten militärischen Tonfall. Dann wurde er jedoch
ungewohnt kleinlaut. „Vielleicht hast du früher gefunden, dass ich dich ein
wenig hart rangenommen habe. Jetzt siehst du, wozu es gut war. Das
Soldatenleben ist hart. Man tut euch Jungs keinen Gefallen, wenn man euch
verhätschelt. Früher oder später erwischt euch der Ernst des Lebens, und dann
müsst ihr vorbereitet sein. Vielleicht verstehst du mich jetzt besser.“ Er
wischte sich unauffällig über die Augen, und Alexander fragte sich, ob Leonidas
auf seine alten Tage womöglich sentimental wurde.
Phoinix wiederum hatte für ihn eine Überraschung parat. „Rate
mal, welche Tragödie dieses Jahr zur Aufführung kommt!“ Er machte eine kurze Pause
und verkündete dann strahlend: „Die Achilleus-Trilogie von Aischylos!“
Nicht alle Königsjungen waren von dieser Aussicht so
entzückt wie Alexander. „Du immer mit deinem Achilleus!“, maulte Proteas, als
sie im Theater saßen und darauf warteten, dass die Vorstellung begann. „Und
dann auch noch eine ganze Trilogie! Als ob ein einzelnes Stück nicht schon hart
genug ist! Müssen es da gleich drei hintereinander sein?“ Er warf Alexander einen
strafenden Blick zu, als sei dieser persönlich für die diesjährige Programmgestaltung
verantwortlich.
Langaros war wie immer ganz auf Proteas’ Seite. „Die Aufführung
wird sich wahrscheinlich den ganzen Tag
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