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Eine kurze Geschichte der alltäglichen Dinge

Titel: Eine kurze Geschichte der alltäglichen Dinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bill Bryson
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1920 die Industrien, die auf Grund seiner Erfindungen und Weiterentwicklungen entstanden, insgesamt 21,6 Milliarden Dollar wert waren. Aber er selbst schaffte es ums Verrecken nicht, den kommerziellen Erfolg seiner Projekte richtig einzuschätzen. Er bildete sich einfach ein (wie noch kein Mensch vor ihm), dass alles, was er erfand, Gewinn bringen würde. Dabei musste er in der Mehrheit der Fälle das krasse Gegenteil erleben, vor allem bei seinem langen, teuren Traum, die Welt mit Betonhäusern vollzustellen.
    Beton beziehungsweise Zement war eines der aufregendsten Produkte des neunzehnten Jahrhunderts. Als Baumaterial gab es Zement oder Beton schon seit ewigen Zeiten — die große Kuppel des Pantheon in Rom ist daraus, die Kathedrale in Salisbury steht auf Zementfundamenten —, aber der eigentlich Durchbruch in der Moderne kam 1824, als Joseph Aspdin, ein kleiner Maurer in Leeds, den Portlandzement erfand, der so genannt wurde, damit die Leute dachten, er sei so attraktiv und langlebig wie Portlandstein. Portlandzement war allen existierenden Materialien bei Weitem überlegen, im Wasser sogar Reverend James Parkers schon erwähntem Roman Cement. Wie Aspdin seinen Zement erfand, war immer ein gewisses Geheimnis, denn seine Herstellung erforderte bestimmte, genau abgemessene Schritte — namentlich Kalkstein zu einem bestimmten Feinheitsgrad zu mahlen, ihn mit Ton von einem bestimmten Feuchtigkeitsgrad zu mischen und das Ganze dann bei Temperaturen zu brennen, die viel höher als die in einem normalen Kalkbrennofen waren. Wie Aspdin darauf kam, die Bestandteile so und nicht anders zu ändern und bei extrem hohen Hitzegraden zu brennen, damit sie immer härter und glatter wurden, ist, wie gesagt, ein unlösbares Rätsel, aber er tat es und wurde damit reich.
    Edison, der schon seit Jahren von den Möglichkeiten des Betons fasziniert war, beschloss um die Jahrhundertwende, spontan in großem Stil etwas damit zu machen. Er gründete die Edison Portland Cement Company und ließ eine riesige Fabrik in der Nähe von Stewartsville in New Jersey bauen. 1907 war er der fünftgrößte Beton- bzw. Zementproduzent der Welt. Seine Experten ließen sich mehr als vier Dutzend Verfahren patentieren, mit denen man in großen Mengen Qualitätszement bzw. -beton herstellen konnte. Mit Edison-Beton wurden das Yankee-Stadion und das erste Stück Beton-Fahrbahn der Welt gebaut.
    Doch der Erfinder träumte von mehr: Er wollte in die Gussform eines kompletten Hauses in einem kontinuierlichen Strom Beton gießen und dabei nicht nur die Wände und Böden, sondern auch alles andere formen: Bäder, Toiletten, Waschbecken, Schränkchen, Türknäufe, sogar Bilderrahmen. Außer ein paar Kleinigkeiten wie Türen und Lichtschaltern sollte alles aus Beton sein. Die Wände wollte Edison sogar einfärben, um das Anstreichen für immer überflüssig zu machen. Alle zwei Tage hätte ein Vier-Mann-Team ein neues Haus gießen können, das nach Edisons Kalkulation 1200 Dollar gekostet hätte, etwa ein Drittel eines herkömmlichen Hauses gleicher Größe.
    Es war ein irrer und letztlich nicht zu verwirklichender Traum. Die technischen Probleme waren unüberwindbar. Die Formen, die natürlich so groß wie das Haus waren, waren lächerlich sperrig und kompliziert, doch das eigentliche Problem bestand darin, sie glatt auszugießen. Beton ist eine Mischung aus Zement, Wasser und Betonzuschlag, also Kies oder Splitt, und Letztere wollen von Natur aus sinken. Die Aufgabe für Edisons Ingenieure bestand also darin, eine Mixtur herzustellen, die so flüssig war, dass sie in alle Ecken gleich welcher Form fließen konnte, aber auch so dick, dass sie den Zuschlag gegen die Schwerkraft halten konnte, während sie sich zu einer glatten, einheitlichen Konsistenz von einer Qualität härtete, an der die Leute sahen, dass sie ein Haus und keinen Bunker kauften. All das zu erreichen war illusorisch. Aber selbst wenn es das nicht gewesen wäre, hätte ein Haus, berechneten die Ingenieure, über 400 000 Pfund gewogen, was hieß, dass das Konstrukt ständig einem immensen Druck ausgesetzt gewesen wäre.
    Angesichts der technischen Schwierigkeiten sowie eines Überangebots allgemein in der Beton-Industrie (zu dem Edisons riesige Fabriken natürlich sehr beitrugen), bestand kaum eine Aussicht, dass Edison je Geld mit dem Unternehmen verdienen konnte. Schwierig war das Geschäft auch, weil es so saisonabhängig war. Doch Edison ließ sich nicht entmutigen und entwarf eine

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