Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Eine kurze Geschichte der alltäglichen Dinge

Titel: Eine kurze Geschichte der alltäglichen Dinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bill Bryson
Vom Netzwerk:
jahrzehntelang unweigerlich ertönte, wenn ein Telefonanruf erfolgte. Vorher wusste man nämlich erstaunlicherweise immer nur, dass jemand einen zu erreichen versuchte, wenn man von Zeit zu Zeit das Telefon abnahm und hörte, ob wer in der Leitung war.
    Für die meisten Menschen war das Telefon eine derart unbegreifliche Neuheit, dass Bell erklären musste, wie genau es funktionierte. »Das Telephon«, schrieb er, »kann man kurz beschreiben als ein elektrisches Gerät, das an verschiedenen Orten den Klang und die Artikulationen der Stimme eines Sprechers reproduziert, so dass zwei Personen in verschiedenen Räumen, verschiedenen Straßen oder verschiedenen Städten fernmündlich ein Gespräch führen können [...] Der große Vorteil, den es gegenüber jeder anderen Form von elektrischem Apparat besitzt, besteht darin, dass es keinerlei besonderer Fähigkeiten bedarf, es zu benutzen.«
    Als das Telefon bei der Ausstellung zur Einhundertjahrfeier der Unabhängigkeit der Vereinigten Staaten im Sommer 1876 in Philadelphia gezeigt wurde, erregte es kaum Aufmerksamkeit. Die meisten Besucher waren viel beeindruckter von einem elektrischen Stift von Edison. Der Stift stanzte rasch Löcher in ein Blatt Papier, die Buchstaben bildeten, dann legte man die so hergestellte Schablone auf Papierseiten, ließ Tinte darüberfließen und bekam flott eine Reihe von Kopien. Edison war überzeugt, dass sich die Erfindung als »größer denn die Telegraphie« erweisen werde. Da irrte er sich wie so häufig, doch jemand anderes war von der Idee des Löcher stanzenden Stifts angetan und entwickelte ihn weiter, um Tinte unter die Haut zu spritzen. Bald war die moderne Tätowierpistole geboren.
    Bell arbeitete weiter an der Sache mit dem Telefon und baute allmählich eine Fangemeinde auf. Der erste Apparat wurde 1877 in Boston installiert und in Betrieb genommen. Zwei Banken (eine von ihnen mit dem interessanten Namen Shoe and Leather-Bank) und eine Privatfirma konnten zu dritt miteinander sprechen. Im Juli des Jahres hatte Bell in Boston zweihundert funktionierende Telefone in Betrieb, und im August war die Zahl auf 1300 hochgeschnellt, wenn auch die meisten davon Verbindungen in Büros waren — eher Gegensprechanlagen. Der Durchbruch kam mit der Erfindung der Telefonvermittlung im nächsten Jahr. Mittels derer konnte jeder Telefoninhaber mit jedem anderen in seinem Bezirk telefonieren — und bald gab es die zuhauf. Anfang der 1880er Jahre waren in den Vereinigten Staaten 60 000 Telefonanschlüsse eingerichtet. In den nächsten zwanzig Jahren stieg die Zahl auf über sechs Millionen.
    Zunächst betrachtete man die Telefone als Dienstleistungslieferanten — von Wetterberichten, Börsennachrichten, Feueralarm, Musik zur Unterhaltung, sogar Wiegenliedern, um unruhige Babys zum Schlafen zu bringen. Niemand kam auf die Idee, dass sie zum Klatschen und Tratschen da sein könnten oder um mit Freunden und Familie in Kontakt zu bleiben. Die Vorstellung, mit jemandem fernmündlich zu plaudern, den man ohnehin regelmäßig sah, hätten die meisten Leute absurd gefunden.
    Weil es auf so vielen schon existierenden Technologien basierte und sich so schnell als profitträchtig erwies, konkurrierten viele Leute und Firmen mit Bells Patenten oder ignorierten sie einfach.
    Aber Bell hatte Glück, sein Schwiegervater Gardiner Hubbard war ein brillanter, nimmermüder Anwalt. Er strengte sechshundert Prozesse an oder trat darin als Verteidiger auf und gewann jeden Einzelnen davon. Der größte Prozess war der gegen den mächtigen Klotz Western Union, der sich mit Edison und Elisha Gray zusammengetan hatte, um das Telefongeschäft mit allen Mitteln unter seine Kontrolle zu bringen. Die Western Union war längst ein wesentlicher Teil des Vanderbilt-Imperiums, und die Vanderbilts hassten es wie die Pest, nicht an erster Stelle zu stehen. Die Trümpfe hatten sie alle in der Hand — die finanziellen Mittel, ein existierendes Netzwerk von Leitungen, Techniker und Spitzeningenieure —, während Bell nur zwei Dinge hatte: ein Patent und Gardiner Hubbard. Hubbard klagte wegen Verstoßes gegen das Patentgesetz und gewann den Prozess binnen eines Jahres.
    Zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts war Bells Telefongesellschaft, nun unter dem Namen American Telephone & Telegraph, die größte Aktiengesellschaft in den Vereinigten Staaten, und eine Aktie war 1000 Dollar wert. (Als sie in den 1980er Jahren aus kartellrechtlichen Gründen aufgelöst wurde, war sie mehr wert

Weitere Kostenlose Bücher