Eine kurze Geschichte der alltäglichen Dinge
Zwergfledermäuse, die nicht mehr als eine kleine Geldmünze wiegen, verspachteln im Verlaufe einer nächtlichen Razzia bis zu dreitausend Insekten. Ohne Fledermäuse gäbe es viel mehr Mücken in Schottland, Sandflöhe in Nordamerika und Fieber in den Tropen. Waldbäume würden zu Krümeln zernagt, man bräuchte mehr Pestizide bei Nutzpflanzen, kurzum, die Natur geriete unter großen Stress.
Fledermäuse sind auch existenziell wichtig im Lebenkreislauf vieler Wildpflanzen, weil sie sie bestäuben und deren Samen verstreuen. Eine Brillenblattnase — ein winziges Fledermäuschen in Südamerika — futtert in einer Nacht bis zu sechzigtausend klitzekleine Samen, und nach Verteilung der Samen durch eine einzige Kolonie Brillenblattnasen — der etwa vierhundert Fledermäuse angehören — können bis zu neun Millionen Keimlinge neuer Obstbäume im Jahr wachsen. Ohne die Fledermäuse würden diese Obstbäume nicht existieren. Fledermäuse sind auch eminent wichtig für das Überleben wilder Avocados, Balsabäume, Bananen, Brotfrüchte, Cashewnüsse, Gewürznelken, Feigen, Guaven, Mangos, Pfirsiche, Saguaros (eine Kakteenart) und unzähliger anderer Pflanzen.
Es gibt viel mehr Fledermäuse auf der Welt, als den meisten Leuten klar ist. Ja, circa ein Viertel aller Säugetierarten — insgesamt etwa elfhundert — sind Fledermäuse. In der Größe rangieren sie von winzigen Hummel- oder Schweinsnasenfledermäusen, die wirklich nicht größer als Hummeln und deshalb die kleinsten aller Säugetierarten sind, bis zu den beeindruckenden Fliegenden Füchsen in Australien und Südasien, die Flügelspannweiten von einem Meter achtzig haben können.
In der Vergangenheit hat man häufiger versucht, aus den besonderen Fähigkeiten der Fledermäuse Kapital zu schlagen. Das US-amerikanische Militär investierte zum Beispiel im Zweiten Weltkrieg viel Zeit und Geld in das außergewöhnliche Projekt, Fledermäuse mit winzigen Brandbomben zu bewaffnen und in großer Zahl aus Flugzeugen über Japan losfliegen zu lassen — eine Million gleichzeitig. Man hoffte, dass sie sich unter Dachvorsprüngen und Dächern einen Schlafplatz suchen, bald danach die winzigen Zeitzünder die Sprengkapseln aktivieren, die Tiere in Flammen ausbrechen und Hunderttausende von Bränden entfachen würden.
Um Bomben und Zeitzünder herzustellen, die winzig genug waren, musste man viel Fantasie aufbringen und herumexperimentieren, doch im Frühling 1943 war man endlich so weit vorangeschritten, dass man einen Versuch am Muroc Lake in Kalifornien anberaumte. Der verlief, gelinde gesagt, nicht recht nach Plan. Entgegen den bei Experimenten üblichen Gepflogenheiten waren die Fledermäuse voll bewaffnet mit scharfen Winzbomben, als man sie losfliegen ließ. Und das erwies sich als keine gute Idee. Die Tiere ließen sich gar nicht auf den anvisierten Zielen nieder, sondern zerstörten alle Hangars und die meisten Lagerräume am Flughafen von Muroc Lake und dann auch noch den Kommandeurswagen eines Generals. Der Tagesbericht dieses Herrn war sicher eine interessante Lektüre. Jedenfalls wurde das Programm kurz danach abgeblasen.
Einen weit weniger hirnrissigen, aber letztlich nicht erfolgreicheren Plan zum Fledermauseinsatz heckte der Arzt Dr. Charles A. R. Campbell in San Antonio, Texas, aus. Campbell ließ riesige »Fledermaustürme« bauen, in denen sich die Flatterer niederlassen und fröhlich fortpflanzen und dann hinausfliegen und Mücken futtern sollten. Das, glaubte Campbell, würde zum einen die Malaria erheblich eindämmen und zum anderen Guano in kommerziell nutzbaren Mengen erzeugen. Mehrere Türme wurden errichtet, und einige stehen sogar noch, wenn auch reichlich windschief, doch sie waren nie so wirkungsvoll, wie erhofft. Offenbar lassen sich nicht alle Fledermäuse sagen, wo sie leben sollen.
In den Vereinigten Staaten wurden die Tiere wegen der übertriebenen und bisweilen irrationalen Angst, dass sie die Tollwut übertrügen, jahrelang von Amts wegen verfolgt. Es begann im Oktober 1951, als eine namentlich nicht bekannte Frau im Westen von Texas, die Gattin eines Baumwollpflanzers, eine Fledermaus auf der Straße vor ihrem Haus fand. Sie dachte, das Tier sei tot, doch als sie sich darüberbeugte, um nachzusehen, sprang es auf und biss sie in den Arm. Das war höchst ungewöhnlich. Amerikanische Fledermäuse sind alle Insektenfresser, und man hatte noch nie gehört, dass eine einen Menschen attackiert hatte. Die Frau und ihr Mann desinfizierten
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