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Eine kurze Geschichte der alltäglichen Dinge

Titel: Eine kurze Geschichte der alltäglichen Dinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bill Bryson
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Die verschiedenen Arten, die Ananas zu kultivieren. Sie alle verkauften sich erheblich besser, als sie klingen. Daneben gab er eine Reihe populä- rer Gartenmagazine heraus, schrieb und produzierte sie weitgehend selbst — einmal fünf gleichzeitig —, und all das, sollte man bemerkten, obwohl er unglaubliches Pech mit seiner Gesundheit hatte. Fast scheint es, als habe er ein Händchen gehabt, die entsetzlichsten Komplikationen zu entwickeln, wenn er krank war. Zum Beispiel musste ihm der rechte Arm amputiert werden, weil er einen schlimmen Anfall von rheumatischem Fieber hatte. Bald danach bekam er Gelenksteife im Knie und humpelte fortan. Als Folge seiner chronischen Schmerzen wurde er eine Zeitlang abhängig von Laudanum. Kein Mann, für den das Leben je leicht war.
    Mrs. Loudon war noch erfolgreicher als ihr Gatte, und zwar dank eines einzigen Werks, Practische Anweisungen zum Gaertnern für Damen, das sie 1841 veröffentlichte, was sich als perfekter Zeitpunkt erwies. Es war das erste Buch überhaupt, das Frauen der gehobenen Klassen ermutigte, sich auch mal die Hände schmutzig zu machen und eventuell sogar einen schwachen Abglanz von Schweiß auf der Stirn zu riskieren. Das war neu, fast schon erotisch. Gaertnern für Damen behauptete tapfer, dass sich Frauen unabhängig von männlicher Aufsicht im Garten betätigen könnten, wenn sie nur ein paar schlichte Vorsichtsmaßnahmen beachteten, nämlich stetig, aber nicht zu energisch zu arbeiten, nur leichte Werkzeuge zu benutzen und niemals auf feuchtem Boden stehen zu bleiben, weil ihnen die ungesunden Ausdünstungen des Bodens unter die Röcke kriechen konnten. Offenbar ging das Buch davon aus, dass die Leserinnen kaum je im Freien gewesen waren, geschweige denn, ein Gartenwerkzeug in die Hand genommen hatten. So zum Beispiel erklärt Mrs. Loudon, wie man mit einem Spaten umgeht:
    Der Vorgang des Grabens, wie ihn ein Gaertner durchfuehrt, besteht daraus, den eisernen Teil des Spatens, der als Keil fungiert, senkrecht in den Boden zu schieben, indem man mit dem Fuß darauftritt, und dann den langen Stiel als Hebel zu benutzen, um die gelockerte Erde zu heben und umzuwenden.
    So ist das ganze Buch, es beschreibt die banalsten und normalsten Tätigkeiten mit beinahe peinlicher Genauigkeit, wie eben, welches Ende des Spatens in den Boden soll. Heute ist der Text mehr oder weniger unlesbar und wurde vermutlich auch damals nicht viel gelesen. Seine Bedeutung lag weniger in seinen Inhalten als vielmehr in dem, was er implizierte: die Erlaubnis, hinauszugehen und etwas zu tun. Die kam genau im rechten Moment, die Nation war darauf eingestimmt. Bürgerliche Frauen waren wegen der allgegenwärtigen Starrheit der gesellschaftlichen Normen zu Tode gelangweilt und dankbar für jede Art von Abwechslung. Gaertnern für Damen blieb den Rest des Jahrhunderts sehr lukrativ und immer lieferbar. Und es ermutigte die Damen wirklich, sich die Hände schmutzig zu machen. Allein das ganze zweite Kapitel beschäftigte sich zum Beispiel mit Dung.
    Außer dem Reiz der erholsamen Tätigkeit gab es ein zweites, eher überraschendes Motiv hinter der wachsenden Gartenbewegung, das auch John Claudius Loudon befeuerte. Weil es um die Mitte des neunzehnten Jahrhunderts viele heftige Choleraepidemien und andere ansteckende Krankheiten gab, denen zahlreiche Menschen zum Opfer fielen, wollten die Leute zwar nicht unbedingt gärtnern, aber doch viel mehr an die frische Luft und hinaus ins Freie, besonders als nicht mehr zu übersehen war, dass die städtischen Friedhöfe durch die Bank schmutzig, überbelegt und ungesund waren.
    London hatte gerade mal 218 Morgen mit Gottesäckern. Man packte die Toten unvorstellbar dicht aufeinander. Als der Dichter William Blake 1827 starb, wurde er auf dem Friedhof Bunhill Fields auf drei anderen Menschen begraben, und auf ihn wurden später noch vier gelegt. Londons Begräbnisstätten mussten unglaubliche Mengen toter Leiber aufnehmen. Auf dem Friedhof von St. Marylebone Parish Church mit einer Fläche von gerade mal einem Morgen waren geschätzte einhunderttausend bestattet. Wo am Trafalgar Square jetzt die Nationalgalerie steht, war der bescheidene Friedhof der Gemeinde von St. Martinin-the-Fields. Auf etwa der Fläche eines heutigen Bowlingfeldes begrub man siebzigtausend Leichen, und in den Grüften in der Kirche weitere ungezählte Tausende. Als St. Martin's 1859 seine Absicht erklärte, die Krypten freizuräumen, beschloss der Naturforscher Frank

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