Eine kurze Geschichte der alltäglichen Dinge
die dort beerdigten Leichen schließlich guter Kompost werden konnten. Außerdem würden großzügige Anpflanzungen von Bäumen und Sträuchern nicht nur eine bukolische Stimmung schaffen, sondern auch Dünste, die aus den Gräbern entwichen, absorbieren und stinkende Luft in frische verwandeln. Loudon entwarf drei Musterfriedhöfe, die von Parks im Grunde nicht zu unterscheiden waren. Leider konnte er nicht zur ewigen Ruhe in einem der von ihm geplanten gebettet werden, denn er starb, erschöpft von Überarbeitung, bevor sie fertiggestellt wurden. Er wurde im Kensal Green Cemeterey in Westlondon bestattet, der aber nach ähnlichen Prinzipien angelegt war.
Friedhöfe wurden also praktisch Parks! Die Leute gingen an Sonntagnachmittagen nicht nur dorthin, um ihrer lieben Entschlafenen zu gedenken, sondern auch, um sich in frischer Luft zu ergehen und zu picknicken. Der Highgate Cemetery in Nordlondon mit seinen weiten Blicken und beeindruckenden Monumenten wurde obendrein zur Touristenattraktion. Leute, die in der Nähe wohnten, kauften die Schlüssel für das Tor, damit sie hinein- und hinausgehen konnten, wann sie wollten.
Der größte Friedhof, der Brookwood Cemetery in Surrey, wurde 1854 von der London Necropolis and National Mausoleum Company eröffnet. Auf seinen zweitausend idyllischen Morgen Land beherbergte er schließlich fast eine Viertelmillion Tote. Das Unternehmen weitete sich derartig aus, dass die Gesellschaft von London nach Brookwood, siebenunddreißig Kilometer nach Westen, eine Privateisenbahn laufen ließ, die drei Klassen und zwei Bahnhöfe in Brookwood hatte: einen für Anglikaner und einen für Nonkonformisten. Die Eisenbahner nannten sie liebevoll »Leichenexpress«. Sie fuhr bis 1941, bis sie einen, wie sich herausstellte, tödlichen Schlag von deutschen Bombern erhielt.
Allmählich dämmerte es aber auch den Behörden, dass man nicht nur Friedhöfe brauchte, die wie Parks waren, sondern Parks, die wie Parks waren. In dem Jahr, als Loudon starb, öffnete eine völlig neue Einrichtung ihre Pforten — der Stadtpark —, und zwar in Birkenhead, von Liverpool aus auf der anderen Seite des Mersey. Er war auf einhundertfünfundzwanzig Morgen Brachland angelegt, sofort ein Erfolg und viel bestauntes Wunder, und man muss es sicher nicht betonen, dass er von dem stets fleißigen, stets einfallsreichen, stets verlässlichen Joseph Paxton entworfen worden war.
Zu der Zeit gab es zwar schon Parks, doch nicht in der Art, wie wir sie heute kennen. Zum einen waren sie meist im wahrsten Sinne des Wortes exklusiv. In die großen Londoner Parks durften bis weit ins neunzehnte Jahrhundert hinein nur Leute von Rang und Namen (plus von Zeit zu Zeit ein paar unbekümmert kesse Kurtisanen). Es bestand die »stillschweigende Übereinkunft« (wie man immer sagte), dass Parks nicht für die einfachen Leute da waren. In manchen Parks machte man sich nicht einmal die Mühe, es »stillschweigend« vorauszusetzen. Im Regent's Park erhob man bis 1835 ausdrücklich deshalb eine Eintrittsgebühr, damit das gemeine Volk nicht die Pfade verstopfte und das Niveau senkte.
Viele der neuen Industriestädte hatten ohnehin kaum Parks, die arbeitende Bevölkerung konnte also, um frische Luft zu schnappen und sich zu erholen, nur über die staubigen Straßen laufen, die aus der Stadt aufs Land führten, und wer so tollkühn war, von diesen ausgefahrenen Wegen herunter auf Privatland zu treten — um einen Ausblick zu genießen, eine volle Blase zu entleeren oder aus einem Bach zu trinken —, musste damit rechnen, dass sein Fuß jäh und schmerzlich in einer Stahlfalle festhing. Es war schließlich das Zeitalter, in dem man Menschen wegen Wilderei routinemäßig nach Australien deportierte und jedes Überreten von Vorschriften, sei es noch so unschuldig und irrelevant, als große Schandtat betrachtete.
Die Idee, dass eine Stadt für ihre Einwohner einen Park zur freien Nutzung baute, einerlei, welchem Stand sie angehörten, war unbeschreiblich aufregend. Paxton verzichtete auf die für normale Parks typischen formalen Wege und festgelegten Blickachsen und schuf etwas Natürlicheres und Einladenderes. Birkenhead Park erinnerte an die Anlagen eines privaten Herrenhauses, aber er war für alle da. Im Frühling 1851 (wieder dem Jahr!) machte ein junger amerikanischer Journalist und Autor namens Frederick Law Olmsted, der im Norden Englands mit zwei Freunden auf Wandertour war, in einer Bäckerei in Birkenhead Halt, um etwas zum
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