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Eine kurze Geschichte der alltäglichen Dinge

Titel: Eine kurze Geschichte der alltäglichen Dinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bill Bryson
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man für jede zusätzliche Treppenstufe die Breite derselben nach einem ganz bestimmten Verhältnis verringern sollte. Seine Formel wurde allenthalben angewendet und ist heute, mehr als dreihundert Jahre später, immer noch fester Bestandteil vieler Bauvorschriften, obwohl sie bei Treppen, die entweder ungewöhnlich hoch oder ungewöhnlich niedrig sind, nicht einmal besonders gut ist — nein, eigentlich richtig schlecht.
    In moderneren Zeiten hat — siehe da! — Frederick Law Olmsted die Konstruktion von Treppen sehr ernst genommen. Obwohl er es für seine Arbeit so gut wie gar nicht brauchte, vermaß er Stufenhöhen und -breiten neun Jahre lang penibelst — manchmal zwanghaft —, weil er eine Formel finden wollte, nach der eine Treppe in beiden Richtungen bequem und sicher zu begehen war. Seine Ergebnisse packte dann ein Mathematiker namens Ernest Irving Freeze in zwei Gleichungen.
    Heute schlägt Templer vor, dass der Höhenabstand zwischen zwei Stufen zwischen 16,002 und 18,288 Zentimeter betragen sollte und die Auftrittsbreite nie weniger als 22,86 Zentimeter, aber besser 27,94. Wenn man sich allerdings mal umschaut, stellt man fest, dass alle möglichen anderen Maße vorkommen. Im Allgemeinen, sagt jedenfalls die Encyclopaedia Britannica, ist der Abstand zwischen den Stufen in den Vereinigten Staaten ein wenig höher als der in Großbritannien und der auf dem europäischen Festland noch höher, doch genaue Zahlen werden nicht genannt.
    Zur Geschichte von Treppen kann man nicht viel sagen. Keiner weiß, wo oder wann sie entstanden, nicht einmal ungefähr. Aber die ersten Treppen wurden vielleicht nicht einmal konstruiert, weil die Menschen, wie man vielleicht denkt, nach oben in ein höheres Stockwerk wollten, sondern weil sie nach unten, in Minen, wollten. 2004 wurde die älteste bisher gefundene Holztreppe entdeckt, und zwar einhundert Meter unter der Erde in einem Bronzezeit-Salzbergwerk in Hallstatt in Tirol: Sie war ungefähr dreitausend Jahre alt. Im Gegensatz zur Leiter (bei der man beide Hände zum Festhalten braucht) hat die Treppe den klaren Vorteil, dass man beide Arme freihat und schwere Lasten nach oben schleppen kann.
    II.
    Da wir bei dem Thema sind, wie wir in unseren Häusern zu Schaden kommen können, halten wir doch einen Moment auf dem Teppenabsatz inne und betrachten etwas anderes, das sich in der Menschheitsgeschichte für eine große Anzahl unserer Artgenossen als tödlich erwiesen hat: die Wände, oder genauer gesagt, das, was auf die Wände kommt: Farbe und Tapete. Lange, lange waren beide auf vielfältige Weise der Gesundheit entschieden abträglich.
    Da ist zunächst einmal die Tapete überhaupt, die gerade, als Mr. Marsham sein Pfarrhaus baute, immer mehr in ganz normalen Häusern verwendet wurde. Lange war sie sehr teuer gewesen, nicht nur, weil sie länger als ein Jahrhundert hoch besteuert wurde, sondern auch, weil sie extrem arbeitsaufwändig in der Herstellung war. Sie wurde nicht aus Zellstoff, sondern aus Lumpen hergestellt. Die Lumpen zu sortieren war buchstäblich Drecksarbeit; die Sortierer konnten sich mit vielen Krankheiten anstecken. Bis zur Erfindung einer Maschine im Jahr 1802, mit der man Endlospapierrollen produzieren konnte, war jedes Blatt höchstens sechzig mal sechzig Zentimeter groß, und die Tapetenstücke mussten sorgsam und mit großem Geschick aneinandergeklebt werden. Die Gräfin von Suffolk zahlte Mitte des achtzehnten Jahrhunderts für das Tapezieren eines einzigen Zimmers 42 Pfund, und damals betrug die Jahresmiete eines guten Londoner Hauses gerade mal 12 Pfund. Velourstapete, hergestellt aus Papier und darauf geleimten, gefärbten Wollfusseln, wurde danach extrem modisch, bot aber zusätzliche Gefahren für alle am Herstellungsprozess Beteiligten, da der Leim oft giftig war.
    Als 1830 endlich die Tapetensteuer abgeschafft wurde, ging es mit der Tapete stetig bergan. Die Zahl der in Großbritannien verkauften Rollen sprang von einer Million 1830 auf dreißig Millionen 1870, und ab dann wurden die Leute wirklich reihenweise krank. Tapete war oft mit Pigmenten gefärbt, die Arsen, Blei und Antimon enthielten, doch nach 1775 wurde sie auch noch häufig in ein besonders tückisches Kupfersalz namens Kupferarsenit getaucht, das der großartige, aber wunderbar glücklose schwedische Chemiker Carl Wilhelm Scheele erfunden hatte.* Die Farbe des Kupferarsenits war so beliebt, dass sie bald Scheeles Grün genannt wurde. Unter Zusatz von Kupferazetat wurde sie

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