Eine kurze Geschichte der alltäglichen Dinge
zu ei-
* Scheele entdeckte im Alleingang acht Elemente — Chlor, Fluor, Mangan, Barium, Molybdän, Wolfram, Stickstoff und Sauerstoff —, erntete aber zeit seines Lebens keinerlei Anerkennung dafür. Er hatte die unselige Angewohnheit, von jeder Substanz, mit der er arbeitete, zu kosten, um sich mit ihren Eigenschaften vertraut zu machen. Zum Schluss holte ihn das ein, und man fand ihn 1786 tot an seinem Arbeitstisch zusammengesunken. Todesursache: versehentliche Überdosis einer unbekannten giftigen Verbindung.
nem noch tieferen »Smaragdgrüne verfeinert. Man färbte damit alles Mögliche, Spielkarten, Kerzen, Kleidung und Vorhangstoffe und sogar manche Nahrungsmittel. Besonders beliebt war Smaragdgrün aber bei Tapeten. Was nicht nur gefährlich für die Leute war, die die Tapete herstellten oder anklebten, sondern auch für die, die später damit wohnten.
Ende des neunzehnten Jahrhunderts enthielten achtzig Prozent der englischen Tapeten Arsen, oft in erheblichen Mengen. Besonders begeisterte sich William Morris dafür, der nicht nur leuchtendes Arsengrün liebte, sondern auch in der Unternehmensführung einer Firma in Devon war (und sein Geld darin investierte), die auf Arsen basierende Pigmente herstellte. Besonders bei Feuchtigkeit — und in englischen Heimen ist es selten nicht feucht — verströmte die Tapete einen eigenartigen, muffigen Geruch, der viele Leute an Knoblauch erinnerte. Außerdem aber merkten sie, dass in Schlafzimmern mit grünen Tapeten normalerweise keine Wanzen waren. Giftige Tapete, meint man heute, war häufig auch der Grund, warum eine Luftveränderung chronisch Kranken so guttat. In vielen Fällen entkamen sie garantiert nur einer schleichendenVergiftung.Wie auch Frederick Law Olmsted, ein Mann, dem wir häufiger begegnen als gedacht. 1893 litt er offenbar an einer Arsenvergiftung, die von seiner Schlafzimmertapete ausgelöst wurde, genau zu der Zeit, als die Leute allmählich kapierten, was sie im Bett krank machte. Er brauchte einen ganzen Sommer, um sich zu erholen — in einem anderen Zimmer.
Auch Farben waren überraschend gefährlich. Bei ihrer Herstellung vermischte man eine Menge toxisches Zeugs miteinander, insbesondere Blei, Arsen und Cinnabarit (einen Verwandten des Quecksilbers). Malergesellen und Kunstmaler litten an einer schwer zu bestimmenden, aber vielfältig aggressiven Krankheit, die man Malerkolik nannte und die im Grunde eine Bleivergiftung war.* Diese Leute kauften Bleiweiß im Block und zermahlten es zu Pulver, indem sie immer wieder eine Eisenkugel dar-überrollten. Dadurch kam viel Staub an ihre Finger und in die Luft, und der war hochgiftig. Zu den vielen Symptomen, an denen sie erkrankten, gehörten Lähmungen, quälender Husten, Antriebslosigkeit, Melancholie, Appetitverlust, Halluzinationen und Blindheit. Eine der merkwürdigen Folgen einer Bleivergiftung ist die Vergrößerung der Netzhaut, weshalb manche Betroffene Heiligenscheine um Objekte sehen — welchselbigen Effekt Vincent van Gogh ja berühmterweise in seinen Gemälden nutzte. Auch James McNeill Whistler erkrankte ernsthaft durch Bleiweiß; als er das lebensgroße Bild »Das weiße Mädchen« schuf, benutzte er sehr viel davon.
Heute ist Bleifarbe außer in sehr spezifischen Anwendungsfällen überall verboten, Restauratoren vermissen sie aber schmerzlich, denn sie verlieh den Farben eine Tiefe und Weichheit, wie sie mit modernen Farben bei Weitem nicht zu erzielen sind. Außerdem sieht sie besonders gut auf Holz aus.
Beim Anstreichen von Fassaden und Wänden wiederum gab es viel Streit um die Zuständigkeitsbereiche. Wer was durfte, war in England in den Zeiten des Zunftwesens sehr kompliziert. Manche Handwerker durften alle Arten von Farben auftragen, manche nur Leimfarbe und manche keine von beiden. Maler erledigten den Hauptteil des Anstrichs, was man ja auch erwarten würde, doch Gipser durften auch Leimfarben (eine dünnflüssige Farbe für den Innen- und Wohnbereich) auf Gipswände auftragen wenngleich nur wenige Farbtöne. Klempner und Glaser durften
bis weit ins zwanzigste Jahrhundert hinein. Nahrungsmittel wurden in Konserven mit bleihaltigem Lötzinn verschlossen, Wasser wurde oft in bleiverkleideten Tanks aufbewahrt und als Pestizid auf Obst gesprüht. Man benutzte Blei sogar bei der Herstellung von Zahnpastatuben. In den Vereinigten Staaten wurde es 1978 in allen dort hergestellten Farben verboten, in Großbritannien 1992. Auch wenn Blei heute aus den meisten
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