Eine kurze Geschichte der alltäglichen Dinge
transparent sein, wenn man dem Glasurgemisch weder Weißmacher noch andere Farben zusetzte.
Endlich hatte die Welt Badewannen, die gut aussahen und ihr gutes Aussehen auch lange bewahrten. Leider waren sie weiterhin extrem teuer. 1910 kostete allein eine Wanne unter Umständen 200 Dollar — was sich normale Haushalte nicht leisten konnten. Doch als die Hersteller größere Mengen anfertigen konnten, fielen die Preise, und 1940 konnte ein Amerikaner eine ganze Badezimmereinrichtung — Becken, Badewanne und Toilette — für 70 Dollar kaufen, und das Geld hatten fast alle.
Anderswo blieben Bäder Luxus. In Europa mangelte es meist an dem nötigen Platz. 1954 hatte lediglich eine von zehn französischen Wohnungen eine Dusche oder ein Bad. In Großbritannien, erinnert sich die Journalistin Katharine Whitehorn, durften sie und ihre Kolleginnen bis Ende der 1950er Jahre in der Frauenzeitschrift Woman's Own keine Artikel über Badezimmer bringen, weil nicht genügend britische Heime welche hatten und Berichte darüber womöglich nur Neid hervorgerufen hätten.
Unser altes Pfarrhaus hatte natürlich 1851 kein Badezimmer.
Doch der Architekt, der stets faszinierende EdwardTull, hatte ein Wasserklosett vorgesehen — 1851 eine ziemliche Neuheit. Noch ungewöhnlicher war der Ort, den er dafür aussuchte: den Treppenabsatz der Haupttreppe.
Da aber in den Bauplänen überhaupt keine Abwasserrohre vorgesehen sind, hat Tull das Ganze wahrscheinlich doch nicht richtig durchdacht. Was sowieso belanglos ist, denn das Wasserklosett wurde nie gebaut.
Siebzehntes Kapitel
Der Ankleideraum
I.
Im September 1991 wanderten Helmut und Erika Simon aus Nürnberg am Rand eines Gletschers in den Ötztaler Alpen entlang, genauer gesagt am Tisenjoch an der Grenze zwischen Österreich und Italien, als sie plötzlich eine menschliche Leiche sahen, die aus dem Eis hervorstak. Sie war ledrig und sehr ausgemergelt, ansonsten aber offenbar vollständig erhalten.
Die Simons machten einen Umweg von drei Kilometern, um ihre Entdeckung in der nächsten bewirtschafteten Berghütte zu melden, und die Polizei wurde gerufen. Als die Gendarmen an der Fundstelle eintrafen, sahen sie allerdings schnell, dass das kein Fall für sie, sondern für die Archäologen war. Die persönlichen Gegenstände — Kupferbeil, Dolch aus Feuerstein, Pfeile und Köcher —, die bei der Leiche lagen, verrieten, dass sie aus einem viel früheren, primitiveren Zeitalter stammte.
Spätere Datierungen mit der Radiokarbonmethode erbrachten, dass der Mann vor über fünftausend Jahren gestorben war. Er bekam rasch den Spitznamen Ötzi, nach dem nächstgrößeren Tal, dem Ötztal; andere nannten ihn Eismann. Ötzi hatte nicht nur verschiedenste Werkzeuge dabei, sondern war außerdem von Kopf bis Fuß bekleidet. Noch nie war etwas derart vollständig Erhaltenes und derart Altes gefunden worden.
Anders, als man gemeinhin annimmt, tauchen Gletscherleichen nie völlig unversehrt wieder auf. Vielmehr zermahlen und zerquetschen die Eismassen alles, was in ihnen gefangen ist, so dass von den sterblichen Überresten am Ende normalerweise nur noch Moleküle übrig bleiben. Ganz selten einmal werden die Leichen bizarr lang gezogen, wie Comicfiguren, die von einer Dampfwalze überrollt werden. Und wenn kein Sauerstoff daran kommt, können sie auch verseifen; dann verwandelt sich vor allem das Unterhautfettgewebe in eine wächserne, übelriechende Substanz, die Adipocire genannt wird. Solche Leichen sehen gespenstisch aus, als seien sie aus Seife geschnitzt, und verlieren alle individuellen Züge.
Ötzis Körper war so gut konserviert, weil ungewöhnlich günstige Umstände zusammentrafen. Erstens starb er im Freien an einem trockenen Tag mit rasch fallenden Temperaturen und wurde im Grunde gefriergetrocknet. Zweitens schneite es in der Zeit danach immer mal wieder; trockener, leichter Pulverschnee bedeckte die Leiche, so dass Ötzi vermutlich jahrelang in dem tiefgefrorenen Zustand blieb, bevor der Gletscher ihm schließlich langsam näher kam. Drittens wurde er zum Glück nur vom Gletscherrand erfasst, was ihn und — nicht weniger wichtig — seine Besitztümer davor bewahrte, verstreut und zerdrückt zu werden. Wäre Ötzi ein paar Schritte näher am Gletscher oder ein wenig weiter unten am Hang oder bei Nieselregen oder Sonne oder überhaupt hei anderen Wetterverhältnissen gestorben, hätten wir ihn heute nicht. Im Leben war er vielleicht ein ganz gewöhnlicher Mann, im Tod ist er
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