Eine kurze Geschichte der alltäglichen Dinge
der HMS Beagle mitzumachen, schrieb er einen rührenden Brief an seinen Vater, in dem er genau darlegte, warum er unbedingt reisen wollte, brach sich aber gleich danach einen ab, ihm zu versichern, dass er sofort seinen Namen von der Passagierliste streichen lassen werde, wenn seinem Vater die Idee auch nur im Geringsten »Unbehagen« bereite. Mr. Darwin senior bedachte das Ganze und erklärte, dass die Idee ihm in der Tat Unbehagen bereite, woraufhin Charles ohne einen Muckser des Protests verzichtete. Für ihn wäre es nie in Frage gekommen, seinem Vater nicht zu gehorchen.
Natürlich fuhr Darwin am Ende doch, und warum sein Vater nachgab, hatte großteils mit einem entscheidenden Umstand zu tun, der in vielen Bürgerfamilien vorkam: Heirat in der Familie. Cousins und Cousinen zu heiraten war bis weit ins neunzehnte Jahrhundert hinein erstaunlich verbreitet, und das zeigt sich geradezu exemplarisch in den Familien Darwin und Wedgwood (den berühmten Porzellanfabrikanten). Charles heiratete seine Cousine ersten Grades, Emma Wedgwood, Tochter seines geliebten Onkels Josiah. Charles' Schwester Caroline heiratete den Sohn des Onkels, Josiah Wedgwood III., also Emmas Bruder und Cousin ersten Grades der Geschwister Darwin. Ein anderer Bruder Emmas heiratete keine Darwin, aber eine Cousine ersten Grades aus einem anderen Zweig seiner Wedgwood-Familie und fügte dem erstaunlich verzwickten Genmix noch einen Strang hinzu. Schließlich heiratete Charles Langton, der mit keiner der beiden Familien verwandt war, zuerst Charlotte Wedgwood, auch eine Tochter von Josiah und Cousine von Charles Darwin, und, als die starb, Darwins Schwester Emily — und wurde auf diese Weise der Gatte der Schwägerin seiner Schwägerin, so dass seine Kinder aus dieser Verbindung sich selbst Cousins und Cousinen ersten Grades waren. In welcher Beziehung Neffen, Nichten und die nächste Generation von Cousinen und Cousins zueinander standen, versuchen wir besser nicht mehr darzustellen.
Heraus kam aber erstaunlicherweise eine der glücklichsten Familien des neunzehnten Jahrhunderts. Denn fast alle Darwins und Wedgwoods waren einander aufrichtig zugetan, was gut für uns ist, denn als Darwins Vater Bedenken gegen die Fahrt mit der Beagle äußerte, verwendete sich Onkel Josiah gern für seinen Neffen und künftigen Schwiegersohn Charles und unterhielt sich mit dessen Vater, seinem Cousin Robert. Ja, und Robert ließ sich von seiner Meinung abbringen, weil er Josiah sehr schätzte.
Dank seines Onkels und einer Tradition, die Gene in der Familie zu behalten, fuhr Charles Darwin die nächsten fünf Jahre zur See und sammelte Fakten, die ihn auf die Evolutionslehre brachten. Und mit dieser wissenschaftlichen Glanzleistung wollen wir uns noch ein wenig beschäftigen, während wir weiter zum oberen Teil des Hauses gehen, zum allerletzten Raum.
Neunzehntes Kapitel
Der Dachboden
I.
In dem ereignisreichen Sommer 1851, als die Menschen in Scharen in die Londoner Weltausstellung strömten und Thomas Marsham sein neues Haus in Norfolk bezog, brachte Charles Darwin ein dickes Manuskript zu seinen Verlegern, das Ergebnis von acht Jahren hingebungsvoller Forschungsarbeit zu Wesen und Verhalten der Rankenfußkrebse. Die Monographie der fossilen Lepadidae, oder Cirripediae Pedunculatae Großbritanniens klingt nicht nach kurzweiliger Unterhaltung und war es auch nicht, doch das Werk sicherte Darwin seinen Ruf als Naturforscher und verlieh ihm, mit den Worten eines Biografen, »die Autorität, über Variabilität und Transmutation zu sprechen«. Oder anders gesagt: über die Evolution. Dabei war Darwin mit den Rankenfußkrebsen noch gar nicht fertig. Drei Jahre später legte er eine 684-Seiten-Studie über sessile Cirripedien und eine bescheidenere Begleitstudie über die Rankenfußkrebsfossilien vor, die im ersten Werk nicht behandelt worden waren. »Ich hasse Rankenfußkrebse, wie sie noch nie ein Mensch gehasst haben kann«, sagte er nach Abschluss der Arbeit, und wer könnte das nicht verstehen?
Die Fossilen Lepadidae waren kein Bestseller, aber sie verkauften sich auch nicht schlechter als ein anderes 1851 veröffentlichtes Buch — eine seltsame, geheimnisvoll weitschweifige Parabel über den Walfang mit dem Titel Der Wal. Das Buch kam eigentlich zur rechten Zeit, denn überall wurden Wale bis zur Ausrottung gejagt, doch Kritiker und Leser erwärmten sich nicht dafür, sie verstanden es nicht. Es war zu dicht geschrieben und verwirrend, zu düster und
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