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Eine kurze Geschichte der alltäglichen Dinge

Titel: Eine kurze Geschichte der alltäglichen Dinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bill Bryson
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mal den Schädel aufschlagen, sind nicht, wie allgemein immer noch angenommen, deshalb so niedrig, weil die Menschen früher kleiner waren und den Platz nicht brauchten. Im Gegenteil, so klein waren die Menschen in grauer Vorzeit gar nicht. Die Türen waren aus demselben Grund klein wie die Fenster: Sie waren teuer.
    mehr als primitive Hütten waren — fragile, aus Zweiglein gebaute Häuschen, wie sie der große, böse Wolf im Märchen wegpustet. Man meinte, sie hätten nie länger als eine Generation gehalten. Grenville zitiert einen Wissenschaftler, der im Brustton der Überzeugung sagte, dass die Häuser der einfachen Menschen bis in die Tudorzeiten »in ganz England durchweg von schlechter Qualität« waren — ein pauschales Urteil und offenbar falsch. Heute deutet alles zunehmend darauf hin, dass auch die einfachen Menschen im Mittelalter und vermutlich lange vorher gute Häuser bauen konnten, wenn sie wollten. Ein Indikator dafür ist im Spätmittelalter die Zunahme spezialisierter Gewerbe wie die Reetdachdeckerei, das Zimmermannshandwerk, das Verputzen und dergleichen. Türen hatten auch immer häufiger Schlösser — ein klares Anzeichen dafür, dass Gebäude und ihr Inventar als wertvoll erachtet wurden. Vor allem aber entwickelten sich die Hütten zu einer Vielzahl von Typen — Full Wealden, Half Wealden, solche mit einreihigem oder doppelreihigem Grundriss, mit Kuhstall oder ohne und so weiter und so fort. Ganz sicher war der Besitz eines Hauses, und sei es noch so schlicht und klein, schon früh eine Quelle des Stolzes.
    Eins aber machte den Menschen im Mittelalter sicherlich weniger Freude: Fast der gesamte Raum über Kopfhöhe war nicht benutzbar, weil meist voll dicker Rauchschwaden. Eine offene Feuerstelle hatte zwar deutliche Vorteile, weil sie Wärme in alle Richtungen ausstrahlte und die Leute ringsherum sitzen konnten. Doch es war auch so, als habe man ständig ein Lagerfeuer in der Mitte des Wohnzimmers. Rauch und Funken wehten dorthin, wo ein Luftzug sie hinblies — und ohne Scheiben in den Fenstern muss einem jedes Mal, wenn jemand kam oder ging, der Rauch ins Gesicht geweht worden sein. Ansonsten stieg er eben zur Decke und hing dort immer dichter, bis er durch ein Loch im Dach abzog.
    Man brauchte also etwas, das, oberflächlich betrachtet, ganz unkompliziert zu sein scheint: einen praktischen Schornstein. Aber es dauerte lange, bis man einen erfand, nicht, weil es am guten Willen mangelte, sondern, weil die Sache technisch doch nicht ohne war. Ein prasselndes Feuer in einer großen Feuerstelle erzeugt eine Menge Hitze, braucht einen vernünftigen Rauchabzug und Schutz vor Funkenflug, und bis 1330 wusste keiner, wie man gute Schornsteine baute. Es existierten zwar schon Kamine mit welchen — die Normannen hatten sie mit nach England gebracht —, aber sehr beindruckend waren sie nicht. Man höhlte einfach die dicken Wände von Burgen ein wenig aus und bohrte ein Loch in die Wand, damit der Rauch nach draußen entschwand. Da nicht viel Luft durchziehen konnte, entstand kein großartiges Feuer, also auch nicht viel Wärme. Außer in Burgen wurden diese Kamine nicht viel gebaut. In Holzhäusern konnte man sie schon gar nicht ohne Verbrutzelungsgefahr benutzen, denn die meisten Häuser waren, wie gesagt, aus Holz.
    Den entscheidenden Durchbruch brachte schließlich die Entwicklung von guten Backsteinen, die Hitze auf Dauer sogar besser vertragen als fast alle Natursteine. Mit vernünftigen Schornsteinen konnte man dann auch auf Kohle als Heizmaterial übergehen, gerade zur rechten Zeit, denn die Holzvorkommen gingen rapide zur Neige. Weil Kohlenqualm beißend und giftig war, musste er im Kamin bleiben, aus dem er durch einen Rauchfang abgeleitet wurde. Was die Häuser innen sauberer, die Welt draußen aber schmutziger machte.
    Nicht alle freuten sich über das Verschwinden der offenen Feuerstellen. Viele Leute vermissten den umherschwebenden Rauch und waren überzeugt, sie seien gesunder gewesen, als sie ständig »gut durchgeräuchert« waren, wie es ein Beobachter formulierte. Noch im Jahre 1577 behauptete ein William Harrison steif und fest, dass in den Zeiten der offenen Feuerstellen »unser Kopf niemals wehe tat«. Rauch unter dem Dach hielt Vögel davon ab, dort zu nisten, und man glaubte, er mache die Balken fester. Vor allem aber klagten die Leute, dass sie es nicht mehr annähernd so warm hatten, und das traf zu. Weil Kamine so ineffizient waren, wurden sie ständig vergrößert.

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