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Eine kurze Geschichte der alltäglichen Dinge

Titel: Eine kurze Geschichte der alltäglichen Dinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bill Bryson
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zum siebzehnten Jahrhundert neben einem simplen cabinet noch ein cabinet de compagnie, ein cabinet d'assemblée, ein cabinet de proprieté (jeweils eine Art Minisalon) sowie ein cabinet de toilette (eine Frisiertoilette für die Damen) haben mochte.
    Im Englischen wurde das cabinet zur exklusivsten, persönlichsten aller Kammern — zum Innersanktum, in dem die vertraulichsten Treffen stattfinden konnten. Dann machte das Wort, wie das Worte manchmal an sich haben, einen bizarren Wandel durch und beschrieb etwa im Jahre 1605 nicht nur das Zimmer, in dem sich der König mit seinen Ministern traf, sondern auch die Gruppe der Minister selbst: das Kabinett.
    An diesem privaten Raum gab es früher oft eine kleine Zelle oder einen Alkoven, der allgemein als privy, als Abort bezeichnet wurde, aber auch als Lokus, Latrine, Ort der Erleichterung, Necessarium oder Aborterker und in dem sich eine Bank mit einem Loch befand, die sich strategisch günstig hoch über einem Wassergraben oder einem tiefen Schacht befand. Man nimmt oft an und schreibt es auch manchmal, dass privy Namensgeber von Insignien und staatlichen Einrichtungen in England ist, vor allem für das Privy Seal, das Geheim- oder Kleine Siegel, und den
    Privy Council, den Geheimen oder Staatsrat. Doch diese Begriffe kamen mit den Normannen nach England, fast zweihundert Jahre bevor privy seinen Toilettensinn annahm. Es stimmt allerdings, dass der Mensch, der für das königliche privy, den Abort, zuständig war, den Titel Kammerherr des Stuhls trug und mit der Zeit vom Toilettenreiniger zum bewährten Ratgeber des Monarchen avancierte.
    Einen ähnlichen Bedeutungswandel durchliefen viele andere Worte. »Garderobe«, zum Beispiel, kann heute Oberbekleidung bedeuten, den Kleiderbestand eines Menschen, einen Raum oder eine Stelle in einem Haus, den Ort in einem öffentlichen Gebäude, an dem man seine »Garderobe« abgibt, den Umkleideraum eines Künstlers oder ein Möbelstück.
    Um alle neuen Zimmer unterzubringen, wuchsen die Häuser nach links, rechts, nach hinten und nach oben. Ein vollkommen neuer Haustyp mit Namen prodigy house, »Wunderhaus«, entstand und verbreitete sich überall im Land. Solche Häuser hatten nie weniger als drei oder manchmal vier Stockwerke und waren oft riesengroß. Das riesengrößte war Knole in Kent, in dem 1892 die Schriftstellerin Vita Sackville-West geboren wurde. Es wuchs und wuchs, bis seine Grundfläche um die 16000 Quadratmeter betrug und es sieben Höfe (einen für jeden Tag in der Woche), zweiundfünfzig Treppenaufgänge (einen für jede Woche im Jahr) und dreihundertfünfundsechzig Zimmer (eines für jeden Tag im Jahr) hatte — jedenfalls behauptete man das lange.
    Wenn man solche Häuser heute betrachtet, kann man manchmal wunderbar sehen, wie die Bauleute nach und nach dazugelernt haben. Ein beeindruckendes Beispiel ist Hardwick Hall in Derbyshire, das 1591 für die Countess of Shrewsbury, genannt Bess of Hardwick, gebaut wurde. Hardwick Hall war ein Wunderwerk der Zeit und wurde, weil es so große Fenster hatte, als »Hardwick Hall, more Blass than wall« sofort berühmt. Für moderne Augen sind Größe und Anordnung der Fenster ziemlich normal, doch 1591 war es etwas derartig Neues, dass der Architekt (vermutlich Robert Smythson) nicht wusste, wie und wo er die vielen Fenster, die vorgesehen waren, alle einbauen sollte. Manche sind allerdings Attrappen, hinter denen sich Rauchfänge verbargen. Andere gehören zu Zimmern auf verschiedenen Stockwerken. Manche großen Zimmer haben viel zu wenige und manche winzigen fast nur Fenster. Nur ab und zu passen die Fenster und die Räume, denen sie Licht geben, überhaupt zusammen.
    Bess stattete das Haus mit Silbersachen aller Art, Tapisserien, Gemälden und allem Möglichen aus, wie man es exquisiter in einem Privathaus in England kaum finden konnte, doch das Auffallendste für heutige Betrachter liegt darin, wie karg und bescheiden der Gesamteindruck ist. Die Böden waren mit schlichten Binsenmatten bedeckt. Die große »lange Galerie« war mehr als fünfzig Meter lang, aber es standen nur drei Tische, ein paar Bänke und Stühle mit hoher, gerader Rückenlehne und zwei Spiegel darin. Letztere waren allerdings im elisabethanischen England extrem wertvolle Kostbarkeiten, wertvoller als jedes Gemälde.
    Die Leute bauten nicht nur enorm große Häuser, sie bauten Unmengen enorm großer Häuser. Hardwick Hall ist zudem deshalb bemerkenswert, weil es gleich daneben schon eine Hardwick

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