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Eine kurze Geschichte der alltäglichen Dinge

Titel: Eine kurze Geschichte der alltäglichen Dinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bill Bryson
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Stückeschreiber William Congreve.
    Am Castle Howard ließ Vanbrugh nicht etwa die klassischen Formen außer Acht, sondern er begrub sie unter alles überwuchernden barocken Ornamenten und Statuen. Die Gebäude Vanbrughs gleichen einander nie, doch Castle Howard ist sozusagen ganz besonders besonders. Es hatte enorm viele Gesellschaftsräume — auf einem Stockwerk dreizehn! —, aber nur wenige Schlafzimmer, nicht annähernd so viele, wie man erwarten würde. Die meisten Räume hatten außerdem einen komischen Schnitt oder bekamen kaum natürliches Licht, und etliche Details an der Außenfassade sind wirklich sehr ungewöhnlich, wenn nicht ausgesprochen eigenwillig. Die Säulen auf der einen Seite des Hauses sind dorisch schlicht, auf der anderen korinthisch, also ornamentaler. (Vanbrugh argumentierte — und das entbehrte ja auch nicht einer gewissen Logik —, dass kein Betrachter beide Seiten gleichzeitig sehen könne.) Das Auffallendste war aber, zumindest in den ersten fünfundzwanzig Jahren, dass der Westflügel fehlte — was allerdings nicht Vanbrughs Fehler war. Carlisle war anderweitig beschäftigt und kümmerte sich nicht um den Westflügel, so dass das Haus auffallend unfertig aussah. Als der Flügel ein Vierteljahrhundert später von dem neuen Besitzer angebaut wurde, geschah das in einem vollkommen anderen Stil, so dass der Besucher heute vor Vanbrughs barockem Ostflügel steht und einem eindeutig nicht dazupassenden palladianischen Westflügel, der dem späteren Hausherrn gefiel und sonst eigentlich niemandem.
    Das Berühmteste an Castle Howard, der Turm mit dem Kuppeldach über der Eingangshalle, wurde später hinzugefügt und passt von den Proportionen her überhaupt nicht zu dem Gebäude. Zu groß und zu dünn, sieht er aus, als sei er für ein ganz anderes erdacht worden. »Von Nahem besehen«, äußerte sich ein Architekturkritiker diplomatisch, »überzeugt er, auf dem Bau darunter nicht.« Aber wenigstens war er etwas Neues. Das einzige andere Gebäude mit Kuppeldach war zu der Zeit Christopher Wrens neue St. Paul's Cathedral. Ein Haus mit Kuppel hatte es noch nie gegeben.
    Castle Howard ist ein überaus stattliches Anwesen, aber eben auch ein bisschen abgedreht. Der Turm ist, wie gesagt, grenzwertig, doch das Ganze wäre nichts ohne ihn. Das können wir deshalb mit solcher Gewissheit sagen, weil er zwanzig Jahre lang fehlte. Am neunten November 1940 wurde spätabends ein Brand im Ostflügel entdeckt. Das einzige Telefon im Haus war schon wie Schokolade geschmolzen, als es jemand erreichte. Man musste zum eineinhalb Kilometer entfernten Pförtnerhaus rennen und von dort aus die Feuerwehr rufen. Als diese aus dem fast zehn Kilometer entfernten Malton eintraf, waren zwei Stunden vergangen, ein Großteil des Hauses vernichtet, der Turm in der Hitze kollabiert und ins Haus gestürzt. Castle Howard sah auch ohne ihn gut aus — immer noch herrschaftlich, immer noch imposant, immer noch unerschütterlich nobel —, doch der Pfiff war weg. Als der berühmte Turm zu Beginn der 1960er Jahre wieder aufgebaut war, gewann das Castle sofort seinen eigentümlichen Reiz zurück.
    Trotz seiner begrenzten Erfahrung zog Vanbrugh als Nächstes den Auftrag für eines der wichtigsten Häuser an Land, das je in Großbritannien errichtet wurde, Blenheim Palace, ein Prachtexemplar in Woodstock in Oxfordshire. Es sollte das Geschenk der Nation an den Herzog von Marlborough für seinen Sieg über die Franzosen sein, den er 1704 in der Zweiten Schlacht bei Höchstädt an der Donau errungen hatte, die die Engländer aber die Schlacht bei Blenheim nennen, womit sie Blindheim meinen, dessen Namen sie warum auch immer anglisiert haben. Das Anwesen umfasste 22 000 Morgen erstklassigen Landes, das ein Einkommen von 6000 Pfund im Jahr brachte, eine stattliche Summe für die Zeit, doch leider nicht annähernd genug, um ein Haus vom Umfang des Blenheim Palace zu erhalten — er war so groß, dass er jegliche Maßstäbe sprengte.
    Er hatte dreihundert Zimmer und stand auf einer Grundfläche von sieben Morgen. * Und während eine Front von über fünfundsiebzig Metern für einen Adelssitz schon enorm war, sollte die von Blenheim gut zweihundertsechzig Meter lang sein. Ein vergleichbares Monument der Eitelkeit hatte Großbritannien noch nie gesehen. Jeder Quadratzentimeter war bedeckt mit opulentem Schmuck in Stein. Es war prächtiger als alle königlichen Paläste und — natürlich! — sehr, sehr teuer. Der Herzog, ebenfalls

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