Eine kurze Geschichte der alltäglichen Dinge
Mitglied des Kit-Cat Clubs, verstand sich offenbar mit Vanbrugh recht gut, doch nachdem er sich mit diesem über das allgemeine Aussehen des riesigen Kastens grob verständigt hatte, zog er los, um noch ein paar Kriege auszufechten, und überließ alle häuslichen Arrangements seiner Gattin Sarah, Herzogin von Marlborough. Sie beaufsichtigte den Hauptteil der Arbeiten und verstand sich von Anfang an nicht mit Vanbrugh, ganz im Gegenteil.
Baubeginn war im Sommer 1705, und schon fing der Ärger an. Im Verlaufe der Arbeiten mussten zahlreiche kostspielige Anpassungen vorgenommen, wie zum Beispiel die Haupteinfahrt
*In einem großen Haus ist die Anzahl der Zimmer immer nur ein ungefährer Wert. Sie hängt davon ab, ob man Lagerräume, Abstellkammern und dergleichen als separate Zimmer mitzählt und ganz gewiss auch davon, wie sorgfältig man zählt. Die »offiziellen« Zahlen für die Gesamtheit der Zimmer in Blenheim schwanken zwischen 187 und 320 — ein nicht unbeträchtlicher Unterschied.
versetzt werden, als ein Cottage-Besitzer sich weigerte, wegzuziehen. Das Haupttor wurde an eine komische Stelle hinter das Haus gesetzt, und Besucher waren gehalten, über die High Street zu fahren, um eine Ecke zu biegen und das Anwesen durch einen Eingang zu betreten, der selbst heute noch sehr wie ein Lieferanteneingang anmutet (wenn auch ein sehr nobler).
Die Baukosten für Blenheim waren mit 40 000 Pfund veranschlagt. Letztendlich verschlang es etwa 300 000. Das war insofern misslich, als die Marlboroughs die größten Knauser waren. Der Herzog war so knickerig, dass er keine Pünktchen auf die is setzte, weil er Tinte sparen wollte. Es war auch nie klar, wer eigentlich den Bau bezahlen sollte — Königin Anne, die Schatzkammer oder die Marlboroughs selbst. Die Herzogin und Königin Anne hatten eine enge, ziemlich seltsame und womöglich sogar intime Beziehung. Wenn sie allein miteinander waren, verpassten sie sich schräge Kosenamen — »Mrs. Morley« oder »Mrs. Freeman« —, um die Peinlichkeit zu umgehen, die daraus resultierte, dass eine von ihnen königlichen Geblüts war und die andere nicht. Leider traf der Bau Blenheims mit einer Abkühlung ihrer Zuneigung zusammen, womit die finanziellen Zuständigkeiten noch mehr durcheinandergerieten. Als die Königin 1714 starb, wurde dann alles vollends kompliziert, denn an ihre Stelle trat ein König, der die Marlboroughs weder besonders mochte, noch in ihrer Schuld zu stehen meinte. Die Streitigkeiten zogen sich hin, viele Handwerker bekamen jahrelang kein Geld und schlussendlich nur einen Bruchteil dessen, was man ihnen schuldete. Von 1712 bis 1716 ruhte das Werk gänzlich, und als man es wieder in Angriff nehmen wollte, verspürten viele der unbezahlten Arbeiter verständlicherweise nicht die geringste Lust wiederzukommen. Vanbrugh erhielt sein Honorar erst 1725 — fast genau zwanzig Jahre, nachdem man mit dem Bau begonnen hatte.
Selbst wenn alles seinen normalen Gang ging, lagen Vanbrugh und die Herzogin über Kreuz. Sie fand das Haus »zu groß, zu dunkel und zu martialisch«, warf Vanbrugh Verschwendungssucht und Widersetzlichkeit vor und kam zu der unumstößlichen Überzeugung, dass er der übelsten Burschen einer war. 1716 warf sie ihn ganz hinaus, wies aber die Arbeiter trotzdem an, sich genau an seine Pläne zu halten. Als Vanbrugh 1725 mit seiner Gattin kam, um sich den fertigen Palace anzuschauen — auf den er immerhin zwei Drittel seiner beruflichen Karriere als Architekt und ein Drittel seiner Lebenszeit verwandt hatte —, teilte man ihm am Tor mit, die Herzogin habe strikte Anweisung gegeben, dass er das Anwesen nicht betreten dürfe. Also sah er sein Meisterwerk in Vollendung nur einmal als Schemen in der Ferne. Acht Monate später war er tot.
Wie Castle Howard ist Blenheim im barocken Stil errichtet, ja, noch barocker: das Dach mit festlichen Globen und Urnen und anderen hochaufragenden Verzierungen geschmückt. Vielen Leuten waren seine monumentalen Ausmaße und Protzigkeit zuwider. Der Graf von Ailesbury qualifizierte es als »einen Steinkoloss ohne Stil und Geschmack« ab, Alexander Pope listete gewissenhaft seine Mängel auf und kam zu dem Schluss: »Mit einem Wort, es ist eine extrem teure Absurdität.« Der Herzog von Shrewsbury verwarf es als »großen, über der Erde befindlichen Steinbruch«, und ein Witzbold namens Abel Evans verfasste ein launiges Epitaph für Vanbrugh:
Lieg auf ihm, Erde, schwer! Denn Manch schwere Last auf dich legt'
Weitere Kostenlose Bücher