Eine kurze Geschichte der alltäglichen Dinge
Sitzmöbeln zum bequemsten Zimmer des Hauses zu machen. Realiter war es bestimmt viele Monate im Jahr alles andere als komfortabel, denn es hat nur einen Kamin, der wohl nie mehr als ein Fleckchen in der Mitte des Zimmers erwärmt hat. Selbst wenn ein ordentliches Feuerchen prasselt, kann man — ich kann's bezeugen — im tiefsten Winter auf der anderen Seite des Zimmers stehen und seinen Atem sehen.
Obwohl das Wohnzimmer der Raum im Haus war, in dem man am meisten Wert auf Bequemlichkeit legte, beginnt unsere Geschichte eigentlich nicht hier, ja überhaupt nicht im Haus. Sie beginnt draußen, etwa ein Jahrhundert vor Mr. Marshams Geburt, mit einer simplen Entdeckung, die Familien mit Landbesitz sehr reich machte und ihren Söhnen und Töchtern erlaubte, sich hübsche Pfarrhäuser zu bauen. Man entdeckte nämlich Folgendes: Damit Land fruchtbar blieb, musste man es nicht mehr regelmäßig ruhen lassen. Es war nicht die brillanteste Erkenntnis, aber sie brachte trotzdem große Fortschritte.
Traditionell war das englische Ackerland in Streifen von gut zweihundert Metern Länge geteilt, und diese Streifen wurden jedes dritte Jahr — manchmal sogar jedes zweite — brach liegen gelassen, damit sich die Böden erholen konnten. Also wurde jedes Jahr mindestens ein Drittel des Ackerlandes nicht bestellt, und daraus folgte, dass es nicht genügend Futter gab, um viele Tiere über den Winter am Leben zu erhalten und Landwirten nichts anderes übrig blieb, als jeden Herbst den Großteil ihres Viehs zu schlachten.
Dann entdeckten englische Landwirte etwas, das holländische schon lange wussten: Wenn man auf den brach liegenden Feldern Rüben, Klee oder ein, zwei andere geeignete Feldpflanzen aussäte, frischten diese wundersamerweise den Boden auf, und man hatte obendrein noch Winterfutter für mehr Vieh. Es war die Zufuhr von Stickstoff, die das vollbrachte, aber das sollte in den nächsten zweihundert Jahren noch niemand begreifen. Was man freilich begriff und sehr zu schätzen wusste, war der Segen, den eine solche Vorgehensweise für die Landwirtschaft bedeutete. Weil im Winter nun mehr Tiere im Stall und auf der Weide standen, bekam man überdies mehr herrliche Gratisplatscher, die als zusätzlicher Dung den Boden weiter verbesserten.
Es war die reinste Zauberei, fanden die Leute, denn bis zum achtzehnten Jahrhundert waren die Bauern von einer Krise in die andere geschlittert. Ein Wissenschaftler namens W. G. Hoskins errechnete 1964, dass zwischen 1480 und 1700 jede vierte Ernte schlecht ausfiel und fast jede fünfte katastrophal schlecht. Jetzt aber schien man das dank der schlichten Maßnahme des Fruchtwechsels dauerhaft und mehr oder weniger verlässlich abwenden zu können. In diesem langen goldenen Zeitalter wurden weite Teile Großbritanniens reich und wohlgestalt und sind es heute noch, und das ist auch der Grund, warum Leute wie Mr. Marsham dieses erfreuliche neue Lebensgefühl für sich entdeckten: Bequemlichkeit.
Landwirte und Bauern profitierten des Weiteren von einem neuen Apparat auf Rädern, den um 1700 Jethro Tull erfand, ein Landwirt mit Köpfchen aus Berkshire. Das Ding hieß Sä- oder Drillmaschine, und man konnte Samen damit direkt im Boden versenken, anstatt ihn mit der Hand verstreuen zu müssen. Saatgut war teuer, und Tulls neues Gerät verringerte die Menge, die man brauchte, von drei oder vier Scheffeln pro Morgen auf weniger als einen; und weil das Saatgut gleichmäßig tief in ordentlichen Reihen versenkt wurde, sprossen mehr Pflanzen, und die Ernten wurden besser: von zwanzig bis vierzig Scheffel pro Morgen Land auf bis zu achtzig.
Diese Erfolgserlebnisse beflügelten auch die Tierzüchter. Fast alle großen Rinderrassen, die Jersey-, Guernsey-, Hereford-, Aberdeen-, Angus- und Ayrshirekühe*, sind Züchtungen aus dem achtzehnten Jahrhundert. Auch Schafe wurden erfolgreich umgezüchtet, bis man die unnatürlich flauschigen Kerlchen hatte, die man heute sieht. Im Mittelalter gab ein Schaf unge-
*Ayrshire-Rinder waren die Kreation von Bruce Campbell, dem erfindungsreichen Großcousin von James Boswell, der die Leitung des Familienguts in Schottland übernahm, nachdem Boswell dankend abgewinkt hatte, weil er ein Leben der gehobenen Konversation und feineren Genüsse in London dem auf einem Milchviehhof im schottischen Tiefland vorzog. Hätte Boswell mehr Pflichtbewusstsein besessen, besäßen wir heute weder seine große Biografie Samuel Johnsons noch eine der besten Milchviehrassen auf der
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