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Eine kurze Geschichte der alltäglichen Dinge

Titel: Eine kurze Geschichte der alltäglichen Dinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bill Bryson
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wohlschmeckende Körner gewinnt. Es war in Mexiko als Grundnahrungsmittel ebenso beliebt wie Mais, doch die Spanier stießen sich daran, dass die Azteken es bei Ritualen mit Menschenopfern vermischt mit deren Blut aßen, und rührten es nicht an.
    Man sollte aber erwähnen, dass Amerika auch von Europa profitierte. Bevor die Europäer in ihr Leben einfielen, hatten die Menschen in Mittelamerika nur fünf Haustiere (Truthahn, Ente Hund, Bienen und Koschenillen) und keine Milchprodukte. Aber heute gäbe es das mexikanische Essen, wie wir es kennen, ohne das europäische Fleisch und den Käse nicht, und man würde auch weder Weizen in Kansas noch Kaffee in Brasilien oder Rindviecher in Argentinien finden, um nur einiges zu nennen.
    Weniger segensreich wirkte sich der Columbian Exchange bei den Krankheiten der Menschen aus. Da die indigene Bevölkerung in der Neuen Welt gegen viele europäische Krankheiten nicht immun war, steckte sie sich leicht an und »sturb zu hauf«. An der Küste von Massachusetts fielen einer vermutlich viralen Hepatitisepidemie geschätzte neunzig Prozent der Einheimischen zum Opfer. Von den Caddo, einem vormals mächtigen Ureinwohnervolk auf dem Gebiet des heutigen Texas und Arkansas, blieben von ursprünglich etwa 200 000 Menschen nur noch 1400 übrig, über 99 Prozent des Stammes kamen um. Eine ähnliche Seuche im heutigen New York würde die Einwohnerzahl auf 56 000 reduzieren — »damit ließe sich nicht einmal das Yankee Stadion füllen«, wie Charles C. Mann in seinem Buch über die frühe Siedlungsgeschichte des amerikanischen Doppelkontinents schreibt. In Mittelamerika kamen in den ersten hundert Jahren nach Ankunft der Europäer geschätzte neunzig Prozent der indigenen Bevölkerung durch Krankheiten oder Mord um. Dafür gaben sie immerhin die Syphilis an Kolumbus' Männer weiter.
    Mit der Zeit wurden natürlich im Columbian Exchange auch ganze Völkerschaften verschoben, Kolonien gegründet, Sprachen, Religionen und Kulturen — oft gewaltsam — transferiert. Nur selten hat etwas solch weitreichende Folgen gehabt wie Kolumbus' volltrottelige Suche nach den Gewürzen des Orients.
    Es gibt auch noch eine andere Ironie in der Geschichte. Als die Epoche der Entdeckungen ihren Lauf nahm, neigten sich die Zeiten, als Gewürze noch rar und teuer waren, schon ihrem Ende entgegen. 1545, nur zwanzig Jahre nach Magellans unglaublicher Fahrt, sank ein englisches Kriegsschiff, die Mary Rose, unter mysteriösen Umständen vor der englischen Küste unweit von Portsmouth. Mehr als vierhundert Männer kamen um. Als man das Schiff Ende des zwanzigsten Jahrhunderts hob, entdeckten die Meeresarchäologen mehr als 650 Pfefferkörner in den persönlichen Schatullen der Offiziere. Was darauf hinweist, dass Pfeffer allmählich weit verbreitet und auf dem besten Wege war, seinen bescheidenen Platz neben dem Salzstreuer einzunehmen.
    Noch etwa ein Jahrhundert lang kämpften die Menschen um die exotischeren Gewürze und bisweilen sogar um die normaleren. 1599 gründeten achtzig britische Kaufleute, verärgert über die steigenden Kosten des Pfeffers, die Britische Ostindienkompanie, um sich ein Stück vom Markt abzuschneiden. Im Gefolge dieser Initiative bekam, wie erwähnt, König Jakob die kostbaren Inseln Puloway und Puloroon, doch eigentlich fassten die Briten in Ostindien nie großartig Fuß und verzichteten 1667 im Vertrag von Breda mit den Holländern im Austausch für ein kleines, eher bedeutungsloses Stück Land in Nordamerika auf alle Ansprüche in der Region. Das kleine Stück Land hieß Manhattan.
    Die Menschen aber gierten mittlerweile nach anderen Waren, und deren Beschaffung sollte die Welt auf höchst unerwartete Weise weiter ändern.
    II.
    Zwei Jahre vor dem peinlichen Vorfall mit dem kriechenden Gewürm hielt Samuel Pepys in seinem Tagebuch ein prosaischeres, aber prägendes Erlebnis in seinem Leben fest. Am 25. September 1660 kostete er zum ersten Mal von einem neuen Heißgetränk. »Und danach bestellte ich eine Tasse Tee, einen chinesischen 'frank, den ich noch nie getrunken hatte.« Ob es ihm schmeckte oder nicht, schrieb er nicht auf, was schade ist, denn er ist der Erste, der im Englischen erwähnt, dass er eine Tasse Tee trinkt.
    Eineinhalb Jahrhunderte später, 1812, zitierte ein schottischer Historiker namens David Macpherson in einem knochentrockenen Wälzer, Geschichte des europäischen Handels mit Indien, die Teepassage aus Pepys' Tagebuch. Das war sehr überraschend, denn 1812

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