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Eine kurze Geschichte der Menschheit (German Edition)

Eine kurze Geschichte der Menschheit (German Edition)

Titel: Eine kurze Geschichte der Menschheit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yuval Noah Harari
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Scheideweg zum anderen voran und nimmt aus unerfindlichen Gründen mal die eine Richtung, mal die andere. Um das Jahr 1500 nahm sie die bislang folgenschwerste Wende, die nicht nur das Schicksal der Menschheit in neue Bahnen lenkte, sondern vielleicht sogar dem Schicksal des Lebens selbst. Diese Entscheidung wird als »wissenschaftliche Revolution« bezeichnet.
    Die wissenschaftliche Revolution begann in Westeuropa, einer fernen Halbinsel am westlichen Zipfel Afro-Eurasiens, die bis zu diesem Zeitpunkt kaum eine Rolle in der Geschichte gespielt hatte. Warum begann die wissenschaftliche Revolution ausgerechnet da, und nicht in China oder Indien? Und warum begann sie um das Jahr 1500, und nicht schon zwei Jahrhunderte früher oder drei Jahrhunderte später? Wir wissen es nicht. Wissenschaftler haben Dutzende Theorien aufgestellt, aber keine ist besonders überzeugend.
    Die Geschichte ist ein weiter Horizont von Möglichkeiten, und viele dieser Möglichkeiten werden nie Wirklichkeit. Man kann sich auch eine Geschichte vorstellen, in der es nie zu einer wissenschaftlichen Revolution kommt, genau wie wir uns eine Geschichte ohne das Christentum, ohne das Römische Reich und ohne Goldmünzen vorstellen können.
    72 Susan Blackmore, The Meme Machine (Oxford: Oxford University Press, 1999).

TEIL 4

DIE WISSENSCHAFTLICHE
REVOLUTION

Kapitel 14 Die Entdeckung der Unwissenheit
    In den vergangenen 500 Jahren hat die Menschheit einen phänomenalen Zuwachs an Macht erlebt. Die Entwicklung verlief so rasant und war so umfassend wie keine andere vor ihr. Wäre ein spanischer Bauer um das Jahr 1000 eingeschlafen und knapp 500 Jahre später vom Lärm der Matrosen geweckt worden, die mit Christoph Kolumbus die drei Segelschiffe Santa María , Niña und Pinta bestiegen, dann hätte sich die Welt in der Zwischenzeit kaum verändert. Er hätte zwar einige Veränderungen bemerkt, einige Gepflogenheiten waren anders und das eine oder andere Werkzeug hatte sich verändert, aber im Grunde genommen hätte er sich heimisch gefühlt. Wenn dagegen einer der Matrosen von Christoph Kolumbus eingeschlafen wäre und heute vom Klingeln eines iPhones geweckt würde, dann würde er buchstäblich die Welt nicht mehr verstehen. »Bin ich im Himmel?«, könnte er sich fragen. »Oder ist das die Hölle?«
    Im Jahr 1500 lebten 500 Millionen Menschen auf unserem Planeten. Heute sind es 7 Milliarden. 73 Im Jahr 1500 wurden auf der ganzen Welt Waren und Dienstleistungen im Wert von umgerechnet 250 Milliarden Dollar produziert. 74 Heute sind es knapp 60 Billionen Dollar. 75 Im Jahr 1500 verbrauchte die Menschheit pro Tag 13 Billionen Kalorien Energie. Heute verbrauchen wir pro Tag 1500 Billionen Kalorien. 76 (Lassen Sie diese Zahlen einmal auf sich wirken: 14 mal so viele Menschen produzieren 240 mal so viel und verbrauchen dabei 115 mal so viel Energie.)
    Wenn in den Tagen von Kolumbus ein modernes Kriegsschiff aufgekreuzt wäre, hätte es die Santa María , Niña und Pinta innerhalb von Sekunden zu Kleinholz verarbeiten und dann sämtliche Flotten der Welt auf den Meeresgrund schicken können, ohne selbst auch nur einen Kratzer abzubekommen. Fünf moderne Containerschiffe hätten die gesamte Fracht aller Handelsschiffe der Welt an Bord nehmen können. 77 Auf einem modernen Computer finden sämtliche Bücher und Schriftrollen aller mittelalterlichen Bibliotheken spielend Platz, und es bleibt noch viel Platz für Ihre Urlaubsfotos. Und eine Bank der Gegenwart hat mehr Geld als alle vormodernen Weltreiche zusammengenommen. 78
    Im Jahr 1500 hatten nur wenige Städte mehr als 100000 Einwohner. Die Häuser waren meist aus Lehm, Holz und Stroh, und ein Gebäude mit drei Stockwerken war ein Wolkenkratzer. Auf den ungepflasterten Straßen wuselten Fußgänger, Pferde, Ziegen, Hühner und ein paar Handkarren. Man hörte menschliche Stimmen und Tierlaute, dazwischen hin und wieder einen Hammer oder eine Säge. Bei Sonnenuntergang legte sich völlige Dunkelheit über die Stadt, nur hier und da flackerte eine Kerze oder ein Kienspan. Was würde eine Einwohnerin einer solchen Stadt denken, wenn sie das moderne Tokio, New York oder Mumbai sehen könnte?
    Vor dem 16. Jahrhundert hatte noch nie ein Mensch den gesamten Erdball umrundet. Das änderte sich erst im Jahr 1522, als Magellans Expedition nach einer 72000 Kilometer langen Reise nach Spanien zurückkehrte. Die Weltumseglung hatte drei Jahre gedauert und fast sämtliche Teilnehmer das Leben gekostet, Magellan

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