Eine kurze Geschichte der Menschheit (German Edition)
Seiten nach ihren Wissenschaftlern, die mit Waffen aus dem Labor den Stillstand überwinden sollten. Die Männer in den weißen Kitteln eilten herbei und erfanden ein Arsenal von Panzern, Kampfflugzeugen, Giftgas, Unterseebooten, Maschinengewehren, Geschützen, Bomben und anderem tödlichen Gerät.
Im Zweiten Weltkrieg wurde die wissenschaftliche Front noch wichtiger. Als die Deutschen Ende 1944 und Anfang 1945 mit einer totalen Niederlage rechnen mussten, kämpften trotzdem viele weiter, weil sie an »Wunderwaffen« wie die V2-Rakete glaubten. Während die Deutschen Raketen und erste Düsenflugzeuge entwickelten, baute das Manhattan Project in den Vereinigten Staaten Atombomben. Noch im August 1945, drei Monate nach der Kapitulation Deutschlands, sprachen japanische Führer vom Kampf bis zum Tod. Amerikanische Generäle befürchteten, dass eine Invasion Japans eine Million amerikanische Soldaten das Leben kosten und den Krieg noch bis 1946 hinziehen würde. Zwei Wochen und zwei Atombomben später erklärte Japan seine bedingungslose Kapitulation, und der Krieg war beendet.
Nicht nur beim Angriff, auch bei der Verteidigung spielt die Wissenschaft eine immer größere Rolle. Heute halten viele Amerikaner den Terrorismus nicht für ein politisches, sondern ein technisches Problem. Sie meinen, man müsse nur ein paar Millionen in die Nanotechnologie investieren, und schon könnten die Vereinigten Staaten Spionagefliegen an die Wand jeder afghanischen Höhle schicken. Die Erben von Osama bin Laden könnten nicht einmal eine Tasse Kaffee brühen, ohne dass diese wichtige Information an das Hauptquartier der CIA übermittelt wird. Und mit ein paar weiteren Millionen für die Gehirnforschung könne man jeden Flughafen mit ultramodernen Hirnscannern ausstatten, die sofort jeden hasserfüllten Gedanken in den Köpfen der Fluggäste erkennen. Funktioniert das wirklich? Das weiß niemand. Ist es vernünftig, winzige Spionagedrohnen und Gedankenleser zu entwickeln? Nicht unbedingt. Aber egal was man davon halten mag, während Sie diese Zeilen lesen, fließen Millionen von Dollar aus dem Verteidigungshaushalt in die Labors der Nanotechnologie und der Hirnforschung.
Diese Besessenheit mit der Kriegstechnologie ist ein neues Phänomen. Bis weit ins 19. Jahrhundert hinein wurden militärische Revolutionen nicht durch technischen, sondern durch organisatorischen Fortschritt bewirkt. Beim ersten Aufeinandertreffen zweier fremder Zivilisationen spielten technische Unterschiede zwar oft eine entscheidende Rolle. Doch selbst dann dachte kaum jemand daran, diesen Unterschied bewusst herbeizuführen oder zu vergrößern. Die meisten Reiche verdankten ihren Aufstieg keinen technischen Zaubereien, und ihre Herrscher verschwendeten kaum einen Gedanken an Innovationen. Die Araber besiegten das Perserreich nicht, weil sie überlegene Bogen und Schwerter mitbrachten, die Seldschuken hatten keinen technischen Vorsprung gegenüber den Byzantinern und die Mongolen fuhren bei der Eroberung Chinas keine Wunderwaffe auf. Im Gegenteil, in allen drei Fällen hatten die Unterlegenen die bessere militärische und zivile Technik.
Die Armee des Römischen Reichs ist ein besonders gutes Beispiel. Die Römer hatten die beste Armee ihrer Zeit, doch ihre Schlagkraft hatte sich vor allem ihrer effizienten Organisation, ihrer eisernen Disziplin und ihren gewaltigen menschlichen Reserven zu verdanken. Waffentechnisch hatten die Römer keinen Vorteil gegenüber den Karthagern, Makedoniern oder Seleukiden. Ihre Armee hatte keine Forschungsabteilung und kämpfte über Jahrhunderte hinweg mit mehr oder weniger denselben Waffen. Wenn die Legionen von Scipio Aemilianus, der im zweiten Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung Karthago zerstörte und die Numantier aushungerte, ein halbes Jahrtausend später auf die Armee von Konstantin dem Großen getroffen wäre, dann hätte Scipio durchaus Chancen gehabt, als Sieger vom Feld zu gehen. Aber stellen Sie sich vor, was mit seiner Armee passiert wäre, wenn sie sich mit ihren Katapulten einer Panzerdivision des 20. Jahrhunderts entgegengestellt hätte. Scipio war zwar ein genialer Stratege und seine Soldaten waren kampferprobte Haudegen, doch gegen die modernen Geschütze hätten sie nicht den Hauch einer Chance gehabt.
Auch in China interessierten sich die Generäle und Denker nicht für die Entwicklung neuer Waffen. Die wichtigste militärische Erfindung der Chinesen war das Schießpulver. Doch soweit wir heute wissen,
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