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Eine kurze Geschichte der Menschheit (German Edition)

Eine kurze Geschichte der Menschheit (German Edition)

Titel: Eine kurze Geschichte der Menschheit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yuval Noah Harari
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Jahresrente von 25 Pfund.
    Nach ihren Berechnungen sollte der Rentenfonds bis zum Jahr 1765 über ein Kapital von 58.348 Pfund verfügen. Ihre Berechnungen erwiesen sich als erstaunlich exakt: Im Jahr 1765 wiesen die Bücher ein Kapital von 58.347 Pfund aus – sie hatten sich um ein einziges Pfund verrechnet! Das war mindestens so gut wie die Prophezeiungen von Habakuk, Jeremias oder Johannes. Heute ist die von Webster und Wallace ins Leben gerufene Rentenkasse »Scottish Widows« eines der größten Versicherungsunternehmen der Welt. Es versichert nicht nur schottische Witwen, sondern Kunden in aller Welt, und verfügt über ein Vermögen von 100 Milliarden Pfund Sterling. 79
    Wahrscheinlichkeitsrechnungen wie die der beiden schottischen Kirchenmänner wurden nicht nur zur Grundlage der Versicherungsmathematik (ein unentbehrliches Werkzeug des Renten- und Versicherungswesen), sondern auch für die Bevölkerungsforschung (die ebenfalls auf einen Geistlichen, nämlich den anglikanischen Pfarrer Thomas Malthus zurückgeht). Diese wiederum war das Fundament, auf dem Charles Darwin (der fast anglikanischer Pfarrer geworden wäre) seine Evolutionstheorie errichtete, die weniger mit Gleichungen als mit Wahrscheinlichkeitsrechnungen arbeitet. (Es gibt keine Formel, um zu berechnen, wie sich ein ganz bestimmter Organismus entwickelt. Vielmehr berechnet die Evolutionstheorie Wahrscheinlichkeiten, mit denen genetische Mutationen weitergegeben werden.) Die Wahrscheinlichkeitsrechnung fand nach und nach auch Eingang in die Wirtschaftswissenschaften, Soziologie, Psychologie, Politikwissenschaften und eine Reihe anderer Gesellschafts- und Naturwissenschaften. Selbst die Physik verließ schließlich den sicheren Boden der Newtonschen Formeln und wagte sich in die Unschärfen der Quantenmechanik vor.
    *
    Wenn wir sehen wollen, wie weit diese Entwicklung inzwischen geht, müssen wir nur einen Blick in die Lehrpläne unserer Schulen und Universitäten werfen. Früher war die Mathematik eine exotische Disziplin, mit der sich nur eine kleine Minderheit von Experten beschäftigte. Im Mittelalter standen vor allem die drei Fächer Logik, Grammatik und Rhetorik (das sogenannte Trivium) auf dem Stundenplan, und der Mathematikunterricht ging kaum über einfache Arithmetik und Geometrie hinaus. Niemand beschäftigte sich mit Statistik, von Wahrscheinlichkeiten ganz zu schweigen. Das wichtigste Fach war die Theologie.
    Heute besuchen nur noch Philosophiestudenten Kurse in Logik oder Rhetorik und nur angehende Priester und Religionslehrer studieren Theologie. Aber immer mehr sind dazu gezwungen, Mathematikkurse zu belegen. Wir beobachten eine unaufhaltsame Verschiebung hin zu den »exakten« Wissenschaften, die deshalb exakt heißen, weil sie mit den Instrumenten der Mathematik arbeiten. Selbst Fächer, die in der Vergangenheit zu den Geisteswissenschaften zählten, etwa die Erforschung der menschlichen Sprache (Linguistik) oder Psyche (Psychologie) bedienen sich zunehmend bei der Mathematik und schmücken sich mit der Bezeichnung »exakte Wissenschaft«. Heute müssen nicht nur Studierende der Physik oder Biologie mathematische Fächer belegen, sondern auch Psychologen, Soziologen, Wirtschafts- und Politikwissenschaftler müssen sich mit Statistik und Wahrscheinlichkeitsrechnung herumschlagen.
    Das Vorlesungsverzeichnis des Fachbereichs Psychologie an meiner Universität beginnt mit einem Kurs »Einführung in die Statistik und in die Methode der psychologischen Forschung«. Wer Psychologie studieren will, muss diesen Kurs im ersten Semester belegen. Das zweite Jahr beginnt mit »Statistische Methoden der psychologischen Forschung«. Auch dieser Kurs ist verpflichtend. Konfuzius, Buddha, Jesus und Mohammed hätten nicht schlecht gestaunt, wenn man ihnen gesagt hätte, sie müssten Statistik studieren, um den menschlichen Geist zu verstehen und seine Krankheiten zu heilen.
    Wissen ist Macht
    Die meisten Menschen haben ihre liebe Not, die Wissenschaften zu verstehen, weil ihre mathematische Sprache unseren Gehirnen fremd ist und ihre Erkenntnisse oft genug dem gesunden Menschenverstand widersprechen. Wie viele der sieben Milliarden Menschen auf unserem Planeten verstehen Quantenmechanik, Zellbiologie oder Makroökonomie? Wenn die Wissenschaften trotzdem ein derart großes Ansehen genießen, dann vor allem wegen der Macht, die sie uns verleihen. Präsidenten und Generäle haben zwar keine Ahnung von Atomphysik, aber sie haben recht gute

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