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Eine kurze Geschichte der Menschheit (German Edition)

Eine kurze Geschichte der Menschheit (German Edition)

Titel: Eine kurze Geschichte der Menschheit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yuval Noah Harari
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Vorstellungen davon, was sie mit einer Atombombe anrichten können.
    Im Jahr 1620 veröffentlichte Francis Bacon ein wissenschaftliches Manifest mit dem Titel Neues Organon (was soviel bedeutet wie »neues Werkzeug«): Hier schrieb er den berühmten Satz »Wissen ist Macht«. Der wahre Prüfstein für Wissen sei nicht, ob es wahr sei oder nicht, sondern ob es uns Macht verleihe, erklärte er. Wissenschaftler nehmen in der Regel an, dass keine Theorie hundertprozentig richtig ist. Daher ist die Wahrheit keine gute Messlatte für das Wissen. Die wahre Bewährungsprobe für das Wissen ist vielmehr seine Nützlichkeit. Eine Theorie, die uns Macht verleiht, neue Werkzeuge an die Hand gibt und ermöglicht, neue Dinge zu tun, ist »Wissen«.
    In den vergangenen Jahrhunderten hat uns die Wissenschaft zahlreiche neue Werkzeuge gegeben. Einige sind intellektueller Natur, etwa die Instrumente zur Vorhersage von Sterberaten und Wirtschaftswachstum. Wichtiger sind jedoch die technischen Werkzeuge. Die Beziehung zwischen Wissenschaft und Technologie ist so stark, dass heute viele die beiden verwechseln. Wir denken oft, dass sich neue Werkzeuge nicht ohne wissenschaftliche Forschung entwickeln lassen und dass die Forschung umgekehrt wenig Sinn hat, wenn sie keine neuen Technologien hervorbringt.
    Diese Beziehung zwischen Wissenschaft und Technologie ist jedoch eine sehr neue Erscheinung. Vor 1500 waren Wissenschaft und Technologie zwei klar getrennte Gebiete. Als Bacon zu Beginn des 17. Jahrhunderts vorschlug, die beiden zu vereinen, war dies ein revolutionärer Gedanke. Im Verlauf des 17. und 18. Jahrhunderts gingen beide eine immer engere Verbindung ein, aber erst im 19. Jahrhundert kann man von einer wirklichen Ehe zwischen beiden sprechen. Noch im Jahr 1800 dachten Herrscher, die eine schlagkräftige Armee, oder Geschäftsleute, die ein erfolgreiches Unternehmen wollten, nicht im Entferntesten daran, Physiker, Biologen oder Wirtschaftswissenschaftler zu bezahlen.
    Was nicht ausschließen soll, dass schon früher der eine oder andere Herrscher auf diesen Gedanken gekommen sein könnte. Ein guter Historiker findet Vorläufer für alles. Aber ein besserer Historiker weiß, wann es sich bei diesen Vorläufern um bloße Kuriositäten handelt, die den Blick auf die großen Zusammenhänge verstellen. Deshalb können wir ganz allgemein festhalten, dass Herrscher und Unternehmer vor Beginn der Neuzeit keine Wissenschaftler bezahlten, um das Universum zu erforschen und neue Technologien zu entwickeln, und dass die meisten Denker ihre Erkenntnisse nicht verwendeten, um Geräte zu erfinden. Die Herrschenden finanzierten Schulen und Universitäten, deren Bildungsauftrag lautete, althergebrachtes Wissen weiterzugeben und die bestehende Gesellschaftsordnung zu bestätigen.
    Hier und da erfanden die Menschen natürlich die eine oder andere neue Technologie, doch diese waren meist das Produkt der Basteleien von ungebildeten Handwerkern, und nicht der systematischen wissenschaftlichen Forschung. Der Gedanke einer »Abteilung für Forschung und Entwicklung« war den frühneuzeitlichen Herrschern, Feldherren, Geistlichen und Unternehmern fremd. Sie hatten wenig Interesse an »Entwicklung« und sahen keine Verbindung zwischen dieser und der »Forschung«. Wagenbauer zimmerten jahraus, jahrein dieselben Fuhrwerke aus denselben Materialien. Sie verwendeten nicht einen Teil ihres Jahresgewinns, um neue Techniken zu erforschen und neue Modelle zu entwickeln. Wenn sich die Bauweise gelegentlich verbesserte, dann war das nur dem Geschick eines erfahrenen Handwerkers zu verdanken, der nie einen Fuß in eine Universität gesetzt hatte und vermutlich nicht einmal lesen und schreiben konnte.
    *
    Nirgends wird der kulturelle Sprung deutlicher als auf militärischem Gebiet. Heute sind Waffentechnologie und Wissenschaft zwei Seiten ein und derselben Münze. Eine der wichtigsten Mächte der Gegenwart ist der militärisch-industrielle Komplex, der eigentlich genauer militärisch-industriell-wissenschaftlicher Komplex heißen müsste. Die Militärs der Welt initiieren, finanzieren und dirigieren einen erheblichen Teil der wissenschaftlichen Forschung und der technischen Entwicklung. Wenn sich taktische, strategische oder politische Schwierigkeiten auftun, wenden sich Staatenlenker immer häufiger an Wissenschaftler in der Hoffnung auf Wunderwaffen, die das Problem lösen.
    Als sich der Erste Weltkrieg in einem zermürbenden Stellungskrieg festfraß, riefen beide

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